Wie faschistisch ist der Islam?

Der Publizist Hamed Abdel-Samad hat eine über 200 Seiten umfassende Abrechnung mit dem Islam geschrieben. Die Religion propagiere Intoleranz. Das allerdings sei nicht immer so gewesen.

Islamkritiker stammen meist aus der westlichen Kultur, während seine Verfechter mehrheitlich aus islamischen Ländern kommen. Interessant wird es, wenn jemand wie der deutsch-arabische Politologe Hamed Abdel-Samad, aufgewachsen in Ägypten, Islam und Islamismus kritisch unter die Lupe nimmt. Schon mit dem Titel seines Buchs nimmt der Sohn eines Imams klar Stellung: "Der islamische Faschismus" nennt sich die Streitschrift, die sich vor allem mit den dunklen Seiten des Islams befasst: Islamismus, Dschihad, der strengen Ausübung der Scharia, den Muslimbrüdern und Salafisten, dem Mullah-Regime und dem islamischen Antisemitismus.

Abdel-Samad geht häufig in die Geschichte zur Erhärtung seiner Thesen. Schon der Prophet Mohamed habe eine Meinungsdiktatur ausgeübt: "Wer sich nicht mit Worten überzeugen ließ, musste eben mit Gewalt auf den rechten Weg gebracht werden", schreibt Abdel-Samad. An anderer Stelle wird er noch deutlicher: "Mohamed pflanzte die Saat der Intoleranz in das Herz des Islam." Der Islam habe durchaus tolerante Phasen erlebt, etwa im 9. Jahrhundert am Hofe des Kalifen von Bagdad. Dort sei, gerade mal 200 Jahre nach Mohameds Tod, der Koran als gesetzgebendes Buch infrage gestellt worden. Diese Weltoffenheit habe in Krisenzeiten jedoch zu streng konservativen Gegenbewegungen geführt.

Abdel-Samad findet auch in der jüngeren Historie reichlich Material für seine Theorie. Ein Faktor bei der Gründung islamistischer Bewegungen sei das Gefühl von Orientierungslosigkeit und Demütigung gewesen, etwa bei der 1928 entstandenen Muslimbruderschaft, die sich gegen die britische Vorherrschaft in Ägypten zu Wehr setzte. Zu jenem Zeitpunkt regierte in Italien bereits der Faschist Benito Mussolini, während in Deutschland kurze Zeit später Hitler auf dem Vormarsch war. Hassan Al-Banna, Gründer der Muslimbruderschaft, soll die faschistischen Führer sehr bewundert haben. Dieser vertrat die Meinung, dass deren Idee der totalen Militarisierung schon von Mohamed vertreten worden sei. Dass der Prophet Massaker an jüdischen Stämmen verüben ließ, habe einen weiteren Anknüpfungspunkt der Islamisten an die antisemitischen europäischen Faschisten, insbesondere an die deutschen Nationalsozialisten, ergeben.

Und wieviel Faschismus gibt es heute im Islam? Abdel-Samad, der mit einer Todes-Fatwa belegt wurde wegen seiner Aussagen, zeichnet ein düsteres Bild: Die Türkei sei eine "Light-Version des islamischen Faschismus"; im Iran, Sudan, Nigeria, Somalia und Gaza herrsche aber schon die Vollversion. Dennoch gebe es Lichtblicke, etwa die sozialen Medien, die eine neue Meinungsfreiheit mit sich brächten. Das Sinnbild des Islamismus, so Abdel-Samad, sei für ihn "ein unfähiger alter Mann, der wütend mit seiner Krücke um sich schlägt". Das wiederum klingt dann fast schon verharmlosend.

Hamed Abdel-Samad: Der islamische Faschismus. Droemer Verlag, 224 Seiten, 18 Euro.

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