Geplante Unordnung Wie ein riesiger Blumenstrauß

München · Ein Garten im englischen Cottage-Stil ist prachtvoll, eng bepflanzt und begeistert mit einer Vielzahl an Blüten.

 Das besondere Aussehen eines sogenannten Cottage-Gartens erreicht man zunächst durch eine genaue Strukturierung der Fläche.

Das besondere Aussehen eines sogenannten Cottage-Gartens erreicht man zunächst durch eine genaue Strukturierung der Fläche.

Foto: dpa-tmn/Elke Borkowski

() Ein Garten im Cottage-Stil ist für die Bloggerin Sarah Stiller ein Blumenstrauß, durch den man laufen kann. Im Sommer quillt das Kleinod über vor Blüten in verschiedenen Pastellfarben - von zarten bis kräftigen Rosa-, Burgunder- und Lilatönen, hin und wieder sieht man auch ein bisschen Weiß und grünliches Gelb. In England findet man diese zauberhaften Cottage-Gärten und den dazugehörenden Gartenstil häufig. Inzwischen ist er aber – genauso wie der Landhausstil in der Einrichtung – auch in Deutschland sehr beliebt.

Der N, jene typisch englischen, oft kleinen alten Landhäuser. Aber sie selbst spielen heute bei der Gartengestaltung in der Kulisse eine untergeordnete Rolle, und so ähnelt der Cottage-Garten auch dem, was wir in Deutschland als Bauerngarten kennen. „Der Cottage-Garten ist der Inbegriff von Charme und Nonchalance, fernab von Smartphone und WLAN“, sagt die Gartenbloggerin Stiller aus München. Viele Menschen verspüren in der technisierten, schnellen und hektischen Welt eine Sehnsucht nach einem ursprünglichen Leben, und das drückt der Gartenstil aus.

Das besondere Charakteristikum ist eine verspielte Leichtigkeit, findet Stefanie Syren, die ein Buch über Landhaus-Gärten geschrieben hat. Die Pflanzen wachsen so, als hätte man ihre Auswahl und Zusammenstellung im Beet nicht geplant. „Man sieht einem Cottage-Garten nicht an, dass gegärtnert wird, obwohl er auch viel Pflege und Zuwendung braucht.“ Kurzum: Alles darf ein bisschen unordentlich aussehen, erklärt Stiller. „Nichts sollte akkurat oder gar steril sein.“ So dürfen auch gerne Hornveilchen in den Pflasterfugen wachsen. „Natürlich hat dieser zarte Frühlingsblüher dort nichts zu suchen und wurde nicht dorthin gepflanzt, aber im Cottage-Garten wird man von der Natur immer wieder überrascht.“

Das ungeplante Geplante erreicht man zunächst aber einmal durch die Strukturierung der Fläche, etwa in die üblichen regelmäßigen und rechtwinkligen Blumen- und Gemüsebeete sowie eine Liegewiese und durch die Anlage von Gartenwegen.

Die Bepflanzung wiederum löst diese geometrischen Strukturen auf: Hortensien, die sich gerne aufplustern, dürfen ihre ballförmigen Blüten in den Weg hineinragen lassen. Auch die fliederfarbene Katzenminze macht am Beetrand nicht Halt, sondern legt ein paar ihrer Triebe auf den angrenzenden Rasen.

Kletterrosen kleiden den Stamm des alten Apfelbaums in Blüten, und die Waldreben tut Gleiches mit dem Gartenzaun. Stiller fasst das so zusammen: „Der Cottage-Garten besticht durch seine strukturierte Wildheit und sollte natürlich einem durchdachten Konzept folgen.“

So manche Pflanzen sind hier ein guter Helfer, um Lücken in der Gestaltung zu schließen: Etwa die Akelei, die ihre Samen selbst verstreuen und Brachflächen erobern. Oder der Frauenmantel. „Die duftigen, gelbgrünen Blütenstände dieser robusten Stauden vertragen ein bisschen Schatten und können so auch zwischen höheren Pflanzen die Lücken schließen“, erklärt Syren.

Die Planung reicht bis in die Details: Selbst die Farben sind perfekt abgestimmt, ergänzen sich Ton in Ton und leben von Hell-Dunkel-Kontrasten. Im Idealbild sind Feuerrot, Orange und Knallgelb nur als vereinzelte Tupfer vorhanden, die etwas Spannung und den Eindruck vermeintlicher Zufälligkeit in das Bild bringen. Aber es wird nicht nur das Auge als Sinnesorgan angesprochen: Duftende Blumen haben eine große Bedeutung. Für den Frühling bieten sich die intensiv duftenden Veilchen an, gefolgt von Goldlack und Hyazinthen. Im Sommer folgen Rosen, Duftwicken und Sommerphlox.

Sucht man nach einem heimischen Pendant zu diesem ländlichen, englischen Gartentyp, fällt der Bauerngarten ein. Er diente einst vor allem dem Anbau von Nahrungsmitteln. Blumen spielten nur eine nebensächliche, ausschmückende Rolle, weil man mit der Fläche sparsam war. Das ist beim Cottage-Garten zwar ähnlich, aber das Verhältnis zwischen Nutz- und Zierpflanzen hat eine andere Gewichtung.

Natürlich wachsen im Cottage-Garten zwischen Rosen, Dahlien und Margeriten auch mal Mangold, Erdbeeren und Zuckererbsen, das gehört zu der sinnlichen Erfahrung dazu. Aber Stiller betont: „Das verwendete Gemüse sollte unbedingt dekorativ sein, wie Palmkohl und Bronzefenchel.“

Der Cottage-Garten sollte auch etwas Verwunschenes an sich haben: Die Bepflanzung ist dicht, weil Pflanzen in verschiedenen Höhen sich miteinander verweben. Dadurch werden durchgängige Sichtachsen vermieden, so dass jedes Eckchen des Gartens eine Überraschung bieten könnte, die man erst sieht, wenn man es betritt.

Und selbst Flächen, die man im gewöhnlichen Garten nicht immer bepflanzt, werden im Cottage-Garten bedacht: etwa mit Ramblerrosen. „Sie klettern in Obstbäume und schenken Ihnen eine zweite Blüte, begrünen Hausfassaden oder Gartendächer und verschönern jeden Schuppen“, beschreibt Stiller. Sie verwandelten in nur wenigen Jahren „jeden Garten in einen verwunschenen Bilderbuchgarten“.

(dpa)
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