Theater Wie die Saar-Gesellschaft bühnenreif wurde

St. Arnual · In einem Theaterstück spiegelt der Puppen- und Schauspieler Dietmar Blume aktuelle Probleme des Landes.

 Dietmar Oliver Kunzler (Gitarre) und Dietmar Blume spielen gemeinsam in dem Stück „Die saarländische Gesellschaft oder Der Wolfsmensch“.

Dietmar Oliver Kunzler (Gitarre) und Dietmar Blume spielen gemeinsam in dem Stück „Die saarländische Gesellschaft oder Der Wolfsmensch“.

Foto: Iris Maria Maurer

Wann immer Menschen gemeinsam irgendwo eingeschlossen sind, erzählen sie sich Geschichten. Das hat Tradition, schließlich funktionierte dieses Prinzip schon bei Bocaccios berühmtem „Il Decamerone“.

Und so führt auch Puppen- und Schauspieler Dietmar Blume die Figuren seines Stückes „Die saarländische Gesellschaft oder Der Wolfsmensch“ in einem Raum ohne Ausweg – er sperrt sie kurzerhand in einem Bunker ein. Ein französischer Kriegsveteran, eine Sozialarbeiterin und eine saarländische Politikerin, nennen wir sie einfach Annegret Kabrunnen. Da er keine zwei Frauen finden konnte, die sich freiwillig mit ihm einsperren lassen wollten, scherzt Blume, spielt er alle Rollen selbst. Den Veteranen als Schauspieler, die Damen als Puppenspieler.

Als der Schmerz über die zugefallene Tür und die ausweglose Situation erst einmal verkraftet ist, wendet sich das Stück seiner eigentlichen Thematik zu, der saarländischen Gesellschaft und was mit der in den letzten Jahren oder Jahrzehnten so alles schiefgelaufen ist. Weniger Arbeit durch Grubenschließung, der versäumte soziale Wohnungsbau oder die wenigen Gedanken, die man sich um die Bildung gemacht hat. Oder, oder, oder. Und doch, unsere Annegret (Kabrunnen natürlich) beharrt auf ihrer Meinung: „Ich hänge mich an den Zipfel unserer Kanzlerin, ihr helft mir, ich helfe dem Saarland. Äh, von Berlin aus, muss da dringend hin“. Das Publikum ist sichtlich amüsiert. Bei solch hochtrabenden und nervenaufreibenden Problemchen darf natürlich auch das nicht fehlen, was dem Saarländern, dem Franzosen und überhaupt jedem am liebsten ist. „Wir brauchen einfach einen Schluck Crémant“, verkündet Annegret angesichts der ausweglosen (politischen) Situation irgendwann. „Der Wolfsmensch“ ist nicht nur eine saloppe, leicht verdauliche Politik- und Gesellschaftskritik, sondern auch ein humorvolles Spiel mit Stereotypen.

Tja, und irgendwann kommt dann auch die Geschichte um den Wolfsmenschen selbst ins Spiel. Der Wolf, der durch auf der überraschend wandelbaren Bühne vollführte Operationen den Menschen immer ähnlicher wird weilt unentdeckt unter ihnen. „Der Wolf greift seit Hunderten von Jahren niemals einen Menschen an, nur in die Enge getrieben, wird er gefährlich, kann sogar töten“, erklärt eine Stimme aus dem Off. Annegret hingegen hält diese ganze Wolfsmensch-Geschichte für eine Legende. Denn immerhin: „Niemand kann in Deutschland im Hintergrund leben und arbeiten, er braucht einen Ausweis.“ Auch wenn am Ende fraglich bleibt, was oder wer diese Wolfsmenschen denn genau sind, gewisse Parallelen zur Flüchtlingsthematik lassen sich nicht leugnen. Denn schon seit Plautus wissen wir: „Denn der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, kein Mensch. Das gilt zum mindesten solange, als man sich nicht kennt“.

„Ich habe noch nicht so ganz durchgeblickt, um was es hier geht“, tönte es vor dem Stück aus dem Publikum. Angesichts solcher Kuriositäten wird sich das auch nach Ende des Stückes wohl nicht unbedingt geändert haben. „Der Wolfsmensch“ ist dennoch eine humorvolle Reise durch unsere Gesellschaft und das Leben selbst, die dank der genreübergreifende Untermalung durch den Live-Musiker Dietmar Oliver Kunzler ihren ganz eigenen Charme gewinnt.

Nachdem die Vorpremiere bereits im April im Theater im Viertel stattgefunden hat, ist Dietmar Blume jetzt mit seiner One-Man-Show in der alten Kettenfabrik in St. Arnual zu Gast. Von der Location und den Menschen drumherum ist er begeistert. „Ich sag’ immer Kommune zu denen, aber dafür sind die eigentlich zu alt“, scherzt er. Dietmar Blume empfindet als „extraordinär“, dass alle, die im Komplex um die alte Kettenfabrik wohnen, versuchen, „offen Kultur zu machen“. Wer nun selber herausfinden möchte, was sich hinter dem Wolfsmenschen verbirgt, hat am Freitag, 31. August, und am Samstag, 1. September, in St. Arnual Gelegenheit dazu.

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