Kino Wie aus Jedermann ein Populist wird

Saarbrücken · Der Film „Das ist unser Land!“ über die rechtsextreme französische Partei Front National bedient sich zwar vieler Klischees. Er birgt aber eine wichtige Botschaft: Komplexe Probleme sind nicht mit einfachen, populistischen Rezepten zu lösen.

 Nationalistischer Taumel als Ersatz für Anerkennung: Eine Szene aus dem Film „Das ist unser Land!“, der dem Front National den Spiegel vorhält.

Nationalistischer Taumel als Ersatz für Anerkennung: Eine Szene aus dem Film „Das ist unser Land!“, der dem Front National den Spiegel vorhält.

Foto: Alamode Film

Jegliche Ähnlichkeit mit einer bestehenden Situation oder existierenden Personen ist ausdrücklich gewollt. Im Film „Das ist unser Land!“, der ab morgen auch in Saarbrücken im Kino läuft, unternimmt der belgische Regisseur Lucas Belvaux einen Erklärungsversuch darüber, wie es rechtspopulistischen Parteien gelingt, die Ängste der Bevölkerung zu instrumentalisieren. Aus der Front-National Hochburg Hénin-Beaumont wird Hénard, aus Parteichefin Marine Le Pen wird Agnès Dorgelle, doch die Geschichte ist die gleiche. In einer ehemaligen Bergbau-Stadt im Norden Frankreichs kämpft die Bevölkerung gegen die Armut und die wachsende Gleichgültigkeit.

Genau diesen Ort hat Agnès Dorgelle als Labor ausgewählt, um der von ihrem Vater gegründeten rechtsextremen Partei einen bürgerlichen Anstrich zu verpassen. Hier will die Partei den Bürgermeister stellen, braucht dafür aber eine Galionsfigur mit lokaler Verankerung. Dafür ist die freiberufliche Krankenschwester Pauline – erfrischend authentisch gespielt von Emilie Dequenne („Rosetta“, „Pakt der Wölfe“) –, Sympathieträgerin mit offenem Ohr für ihre Patienten, nahezu prädestiniert. Zu Beginn skeptisch, lässt sich die alleinerziehende Mutter überzeugen, Kandidatin der Populisten zu werden. Zu groß ist ihr Drang, die sozialen Missstände, denen sie täglich in ihrer Arbeit begegnet, zu beseitigen. Zu groß ihr Glaube, dass die populistische Partei ihr die Gelegenheit dazu bietet. Doch ihr engagierter Wahlkampf führt sie von einer Enttäuschung zur nächsten.

Die gewollte Nähe zur Realität entging dem Front National beim Filmstart – zwei Monate vor der französischen Präsidentschaftswahl – natürlich nicht. Zu dieser Zeit war der Einzug Marine Le Pen in den Elysée-Palast in greifbarer Nähe. Bereits die Ausstrahlung des Trailers reichte Florian Philippot, Nummer zwei der Partei und Abgeordneter im Regionalrat Grand Est, um den Zeitpunkt für den Filmstart für unzulässig zu erklären. Er kritisierte scharf, dass die belgisch-französische Koproduktion auch mit öffentlichen Geldern gefördert worden sei, so dass auch zahlreiche FN-Anhänger diese Persiflage auf ihre Partei unfreiwillig über ihre Steuern mitfinanziert hätten. Das komme einer Wahlkampfhilfe für alle anderen Parteien gleich.

Filmisch gesehen gelingt Lucas Belvaux mit „Das ist unser Land!“ nicht der große Wurf. Die Handlung ist dünn. Die politischen Strippenzieher – sowohl die Parteichefin als auch ihre Kader, von Paris in die tiefe Provinz geschickt, um den Straßenwahlkampf zu managen – taugen im besten Fall als Karikaturen. Doch wichtiger als der Film selbst ist seine Botschaft. Mit der Hauptfigur Pauline, aber auch mit etlichen Nebenrollen zeigt uns Belvaux, ohne sie je zu verurteilen, warum sie zu leichten Opfern für die Populisten werden. Eine ältere Dame, bei deren Nachbarin eingebrochen wurde; eine Lehrerin, die sich weder mit ihren Kollegen noch mit ihrem Mann mehr im Einklang fühlt; gelangweilte und perspektivlose Jugendliche: Sie alle führen uns vor, dass fast jeder, der sich in seinem Leben einmal in einer schwierigen Lage befindet, für Vereinfachungen und das falsche Versprechen, dass alles besser wird, anfällig ist.

„Das ist unser Land!“ läuft ab morgen im Camera Zwo in Saarbrücken.

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