„Whitesell muss weg“

Beckingen · Der US-Eigentümer Whitesell soll die Beckinger Schraubenfabrik verkaufen. Darin sehen Arbeitnehmervertreter und Landesregierung die einzige Chance für das Überleben des Werks.

 Der Protestzug marschierte gestern unmittelbar an der Whitesell-Schraubenfabrik in Beckingen vorbei. Foto: Rolf Ruppenthal

Der Protestzug marschierte gestern unmittelbar an der Whitesell-Schraubenfabrik in Beckingen vorbei. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

So eine große Demonstration wie gestern hat Beckingen wohl kaum je erlebt. Es geht ja schließlich auch um den Erhalt eines Traditionsbetriebs, der Schraubenfabrik, die den Ort über 145 Jahre mit geprägt hat. Ein langer Zug von Menschen marschiert vom Werksgelände zum Rathaus. Sie alle eint die wütende Empörung über Neil Whitesell, den amerikanischen Unternehmer, dem das Werk seit knapp einem Jahr gehört und der es in der kurzen Zeit "kurz vor die Wand gefahren hat", wie Guido Lesch, zweiter Bevollmächtigter der Gewerkschaft IG Metall in Völklingen, sagt. Voraus trägt deshalb ein Traktor ein Plakat mit der Aufschrift "Whitesell muss weg".

Mehr als tausend Teilnehmer zählt die Polizei bei der Kundgebung. Mit dabei außer den Beschäftigten des existenzbedrohten Schraubenwerks auch Abordnungen umliegender Betriebe wie Ford oder Nemak und viele Beckinger Bürger sowie einige Politiker. Der Fabrik und der gesamten deutschen Schrauben-Gruppe droht das Aus, seit Anfang Dezember mit dem Autohersteller BMW der letzte Großkunde seine Aufträge storniert hat, verprellt durch drastische Preiserhöhungen und erpresserische Vertragsbedingungen , so die IG Metall . 340 Arbeitsplätze sind akut in Gefahr, 1300 sind es bundesweit an den insgesamt vier Standorten des Autozulieferers .

Alle Redner auf der improvisierten Bühne prangern Whitesell wegen seines Geschäftsgebarens an. "Solche Typen betreiben Abzocke und denken nur an Profit", sagt Lesch. Und Betriebsratschef Gerfried Lauer ruft der Menge zu: "Das Werk ist ein Herzstück von Beckingen . Das lassen wir uns nicht einfach von so einem Whitesell rausreißen."

"Ein Hoffnungsschimmer"

Silke Nötzel von der IG Metall-Bezirksleitung aus Frankfurt warnt vor dem "System Whitesell". Dabei gaukele ein Investor ein langfristiges Interesse vor - wie Whitesell vor der Übernahme der insolventen Schraubengruppe -, um dann skrupellos das Unternehmen auszusaugen.

Trotzdem sieht Lesch noch "einen Hoffnungsschimmer" und verlangt: "Mr. Whitesell, wenn Sie noch einen Funken von Ehre und Charakter besitzen, dann geben Sie kurzfristig die Betriebe frei, damit wir noch eine Zukunft haben!" Immerhin habe ein Manager der Whitesell Group den Rückzug angedeutet. Lesch fordert von der Landesregierung Unterstützung dabei, Whitesell zum Verkauf zu bewegen und mit einer Beschäftigungsgesellschaft die Mitarbeiter vor dem Sturz ins Bodenlose zu bewahren. Denn der Gewerkschafter weiß, dass ein Neuanfang schwer wird, nachdem so viele Kunden abgesprungen sind.

Wirtschaftsstaatssekretär Jürgen Barke (SPD ) sagt denn auch umfassende Unterstützung der Landesregierung zu: "Whitesell hat kein Interesse daran, das Unternehmen weiterzuführen. Deshalb muss es jetzt schnell gehen. Wenn wir ihn schnell an den Verhandlungstisch kriegen, bin ich zuversichtlich, dass wir hier eine Auffanglösung schaffen."

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