Wer zahlt für den Atomausstieg?

Auf Betreiben der Energiekonzerne prüft das Verfassungsgericht den deutschen Atomausstieg. Dabei geht es um Milliardenkosten und Haftungsrisiken. Dpa-Mitarbeiterin Anja Semmelroch beantwortet die wichtigsten Fragen um den Prozess.

 Die deutschen Atommeiler gehen bis zum Jahr 2022 nach und nach vom Netz. Foto: Roessler/dpa

Die deutschen Atommeiler gehen bis zum Jahr 2022 nach und nach vom Netz. Foto: Roessler/dpa

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Was genau wird in Karlsruhe verhandelt?

Der deutsche Atomausstieg als Folge des Atomunglücks von Fukushima vom 11. März 2011.

Was bedeutet das für die 17 deutschen Kernkraftwerke?

Sieben ältere Blöcke und sowie das Pannen-AKW Krümmel in Schleswig-Holstein sind sofort vom Netz gegangen. Bei den restlichen AKWs erlöschen gestaffelt über elf Jahre die Betriebsgenehmigungen. Damit ist der Atomausstieg bis 2022 beschlossene Sache. Die Energiekonzerne Eon und RWE hat die erzwungene Energiewende in massive wirtschaftliche Schwierigkeiten gestürzt.

Wie reagieren die Betreiber?

Die ziehen dutzendfach mit Schadensersatzforderungen vor Gericht - und haben dabei keine schlechten Karten. Denn bei der Hauruck-Aktion gibt es juristische Grauzonen. So erklärte Anfang 2013 der hessische Verwaltungsgerichtshof in einem vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Urteil die sofortige Abschaltung von Biblis A und B für rechtswidrig - unter anderem weil RWE vor der Entscheidung nicht ordnungsgemäß angehört wurde. Die Grundsatzklagen werden jetzt in Karlsruhe verhandelt.

Mit welchen Auswirkungen?

Eon, RWE und der schwedische Staatskonzern Vattenfall werten den beschleunigten Atom ausstieg als Enteignung. Sie wollen feststellen lassen, dass ihnen laut Grundgesetz vom Staat eine Entschädigung zusteht. Das schulde man schon den Tausenden von Kleinanlegern, die ihre Rente in Eon-Aktien angelegt haben, betont Teyssen in Karlsruhe. Sollten die Konzerne Recht bekommen, wäre der Weg frei für Schadensersatzklagen im zweistelligen Milliardenbereich.

Haben sie denn Chancen auf Erfolg?

Darüber lässt sich nach den ersten Verhandlungsstunden nur spekulieren. Die Richter haben schwierige Fragen zu bewerten: Können Abschalttermine und gekürzte Strommengen überhaupt eine Enteignung sein? Muss es dafür einen finanziellen Ausgleich geben? Wurden die einzelnen Meiler ungleich behandelt? Und kann sich ein ausländischer Staatskonzern überhaupt auf deutsche Grundrechte berufen? Um die Sache noch komplizierter zu machen: Garantiert ist momentan noch nicht einmal, ob es überhaupt jemals zu einem Urteil kommt.

Warum das?

Die Konzerne haben ihre Klagen vor Jahren eingereicht, seither ist viel passiert. Aktuell dreht sich alles um die Frage, wer die Kosten für den Rückbau der Meiler und die Lagerung des Atommülls schultern muss - nach Schätzungen von Experten mindestens 48,8 Milliarden Euro. Der Staat könnte den Versorgern bei der Übernahme von Risiken entgegenkommen. Aber das hat seinen Preis: Im Gegenzug sollen die Konzerne ihre vielen Klagen fallen lassen.

Was passiert, wenn es vor einem Urteil einen Deal gibt?

Im Prinzip kann eine Verfassungsklage jederzeit zurückgenommen werden, selbst nach einer aufwendigen Verhandlung.

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