Ernährung Wer täglich mehrere Gläser Fruchtsaft trinkt, wird dick und krank

Saarbrücken · Auch naturbelassener Saft enthält große Mengen Zucker. Das kann schon bei Kindern zu starkem Übergewicht und einer Fettleber führen.

 Für ein normales Glas Orangensaft werden drei Orangen benötigt. In großer Menge getrunken, kann der hohe Zuckergehalt schädlich sein. Experten empfehlen ein Glas Fruchtsaft am Tag während einer Mahlzeit.

Für ein normales Glas Orangensaft werden drei Orangen benötigt. In großer Menge getrunken, kann der hohe Zuckergehalt schädlich sein. Experten empfehlen ein Glas Fruchtsaft am Tag während einer Mahlzeit.

Foto: Arno Burgi/dpa-Zentralbild/dpa/Arno Burgi

(ml) Eine andere Wirkung als Glukose hat Fruktose auf den Organismus. Zwar ist Fruktose (Fruchtzucker) ein natürlicher Bestandteil von Früchten, kann aber in großen Mengen ebenfalls die Gesundheit gefährden.

Der Fettleibigkeitsforscher Professor Dr. George Bray von der Louisiana-State-Universität in Baton Rouge wies schon 2004 auf den Zusammenhang zwischen zunehmendem Zuckerkonsum und zunehmender Fettleibigkeit in den USA hin. Bray nannte dabei auch schon den billigen Zucker aus Maissirup.

Säfte machen fett: Forscher der Harvard-Universität in Boston haben mehrere große Ernährungsstudien ausgewertet. Das Ergebnis besagt, dass der Konsum von Säften, die aus Fruchtsaftkonzentraten hergestellt sind oder viel Haushaltszucker (Saccharose) oder Maissirup enthalten, mit einem Risiko für Fettleibigkeit und Diabetes einhergehen. Die Autoren empfehlen, auf Wasser umzusteigen, um das Risiko für chronische Krankheiten zu verringern.

Nach Erkenntnissen der Universität London liefern in westlichen Ländern allein Fruchtsäfte jeden Tag durchschnittlich 100 Kilokalorien pro Kopf. 100 zusätzliche Kilokalorien am Tag reichen aus, das Körpergewicht in einem Jahr um drei Kilogramm nach oben zu treiben. In zehn Jahren sind es schon 30 Kilogramm Übergewicht.

Mehr Zucker in Saft als in Cola: Die meisten glauben, diese Säfte seien gesund und böten eine einfache Möglichkeit, seine tägliche Portion Obst und Vitamine zu bekommen. „Doch 98 Prozent dieser Säfte enthalten Fruchtsaftkonzentrat mit hohen Mengen an Zucker, mehr als zum Beispiel in einer Cola steckt“, erläutert Professor Dr. Tim Spector. Beispielsweise enthalten 0,2 Liter Traubensaft rund 32 Gramm Zucker, 0,2 Liter Apfelsaft etwa 24 und 0,2 Liter Cola 22 Gramm.

Fruktose wird vom Körper anders verarbeitet als Glukose. Der größte Teil der Fruktose wird über den Darm direkt zur Leber befördert. Dort wird sie in Energie umgewandelt, ein Überschuss jedoch wird als Fett eingelagert. Die Leberverfettung ist heute ein großes Problem. Schon die Hälfte aller übergewichtigen Kinder entwickelt eine Fettleber.

Fruktoseintoleranz: Noch wissen wir nur wenig darüber, in welchem Maße und mit welcher Intensität Glukose und Fruktose auf unsere Darmbakterien einwirken. Doch Getränke, die viel Fruktose enthalten, lösen bei vielen Menschen mikrobielle Gärung, Blähungen und Unwohlsein aus. Forscher der Nagoya-Universität in Japan haben das sogar für Sportgetränke nachgewiesen, die Fruktose enthalten. Diese Fruktoseintoleranz hat offenbar auch eine genetische Grundlage.

Mehrere Forschergruppen haben in Studien mit Mäusen und Ratten gezeigt, dass Fruktose genauso wie eine ungesunde Ernährung (Junkfood) eine Fettleber und Verfettung der übrigen inneren Organe verursachen kann. Füttert man Nager mit großen Mengen Fruktose, nimmt ihr Eingeweidfett dramatisch zu.

George Bray sagt, dass etwa 75 Prozent aller Nahrungsmittel und Getränke Zucker in einer Vielzahl von Varianten enthalten. Sie tragen Bezeichnungen wie Saccharose, Maltose, Tagatose, Laktose, Dextrose oder Isoglukose (Zuckersirup, Fruktose-Glukose-Sirupe).

Innere Verfettung: Flüssiger Zucker löst offenbar kein Sättigungsgefühl aus. Daher reduzieren Menschen, die große Mengen Softdrinks und Säfte zu sich nehmen, die verzehrten Mengen anderer Lebensmittel nicht. Fruktose-Studien mit Menschen haben gezeigt, dass nach einigen Monaten ungünstige Veränderungen des Stoffwechsels und des Eingeweidefetts auftreten. „Die Auswirkung von Fruktose in Lebensmitteln und Getränken auf das innere Fett wird wahrscheinlich unterschätzt“, sagt Tim Spector.

Das trifft auch augenscheinlich normalgewichtige Menschen, die jedoch viel Eingeweidefett haben, dafür wenig Muskelmasse. Solche Menschen wirken äußerlich keineswegs dick, sind bei Ärzten jedoch als „Tofis“ bekannt: thin outside, fat inside – außen dünn, innen dick. „Ihrem Stoffwechsel geht es sehr schlecht“, sagt Spector.

Im Hinblick auf die negativen gesundheitlichen Wirkungen der Fruktose ist es weit weniger schädlich, ganze Früchte zu verzehren, als ständig Fruchtsäfte zu trinken. Eine Studie mit 475 Männern und 579 Frauen im Alter ab 30 Jahren an der Universität von Sao Paulo in Brasilien hat gezeigt, dass eine hohe Zufuhr von Fruktose aus der Nahrung und (gesüßten) Fruchtsäften bei genetisch anfälligen Personen mit einer Fruktoseintoleranz einhergeht. Wurden ganze, frische Früchte gegessen, war das nicht der Fall.

Der Wert ganzer Früchte: Zwar wirkt sich Fruktose auf den Insulinspiegel weniger heftig aus als Glukose. Doch Fruktose in flüssiger Form lässt die Insulinausschüttung viel stärker steigen als Fruktose aus Früchten. Dazu berichtet Tim Spector: „Bei einer Studie mit 425 Japanern, die ein hohes Diabetesrisiko hatten, fand man heraus, dass beim Essen von Früchten der Insulinspiegel normal anstieg. Bei den Teilnehmern, die die gleiche Menge Fruktose über zuckerhaltige Getränke bekamen, waren die Insulin-Spitzenwerte doppelt so hoch.“

Möglicherweise bewirkt der höhere Anteil von Ballaststoffen in ganzen Früchten diesen Unterschied. Fruchtsäfte sind also gar nicht so gesund, wie es uns die Werbung oft glauben machen will. Forscher der Universitäten Maastricht in den Niederlanden und Lausanne in der Schweiz haben mehrere Fruktose-Studien ausgewertet. „Die verfügbaren Beweise weisen darauf hin, dass der Konsum von zuckergesüßten Getränken mit einer Gewichtszunahme zusammenhängt“, schreiben die Wissenschaftler.

Glukose fördert Gicht: Zucker trägt aufgrund seiner Zusammensetzung gleich mehrfach zur Entstehung von Adipositas bei. Andreas Pfeiffer berichtet: „Glukose setzt im Dünndarm das Hormon Gip frei.“ (Gip = Glukoseinduziertes Insulinotropes Peptid). „Dieses trägt zur Insulinresistenz und zur Entstehung einer Fettleber bei. Gip hemmt die Fettverbrennung und fördert die Fetteinlagerung.“ Außerdem wirke Gip auf das Gehirn, wo es die Freisetzung des appetitanregenden Hormones NPY (Neuropeptid Y) steigere, erläutert Pfeiffer. Darüber hinaus bewirke Gip eine erhöhte Trägheit.

Fruktose regt zudem die Bildung von Harnsäure an. „Ein hoher Harnsäurespiegel kann Gicht auslösen und wird mit anderen Stoffwechselstörungen wie erhöhtem Blutdruck und Insulinresistenz in Zusammenhang gebracht“, sagt Pfeiffer.

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