Wenn Umweltschutz nach hinten losgeht

Saarbrücken · Bei Stadtwerken, die mit hochmodernen Gasturbinen Strom und Fernwärme produzieren, wachsen die Probleme. Durch den Vorrang von Wind und Sonne bei der Stromerzeugung fahren sie immer mehr Verluste ein.

 50 Millionen Euro hat der Versorger VVS in dieses Gaskraftwerk investiert. Foto: Becker & Bredel

50 Millionen Euro hat der Versorger VVS in dieses Gaskraftwerk investiert. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Die Energiewende macht einigen Geschäftsmodellen schwer zu schaffen. Neben den Betreibern von Gas- sowie Steinkohle-Kraftwerken, die als Lückenbüßer herhalten müssen, wenn Strom aus Wind oder Sonne nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung steht, sind das vor allem die Unternehmen, die auf Kraftwärme-Kopplung (KWK) gesetzt haben, in Nöten. Im Saarland ist das in erster Linie der Saarbrücker Versorgungskonzern VVS.

Hoher Wirkungsgrad

"Unser Geschäftsmodell einer ökologischen und atomfreien Stromversorgung in Saarbrücken droht unter die Räder zu kommen, wenn sich die politisch gewollten und per Gesetz regulierten Markbedingungen der Energiewende nicht ändern", erläutern die VVS-Geschäftsführer Thomas Severin (Sprecher) und Peter Edlinger. "Die Verluste, die durch staatlichen Eingriff in den Markt eingetreten sind, und weiterhin drohen, können auf Dauer nicht mehr kompensiert werden."

Das Unternehmen ist vor einigen Jahren wieder in die Energie-Erzeugung eingestiegen. Rückgrat ist eine rund 50 Millionen Euro teure Gas- und Dampfanlage (GuD) im Saarbrücker Industriegebiet Süd. In dem neuen GuD-Kraftwerk wird seit der Inbetriebnahme 2012 Erdgas verfeuert. Das heiße Abgas treibt eine Gasturbine an, die wiederum einen Generator zum Laufen bringt und so Strom erzeugt. Das austretende immer noch heiße Abgas erhitzt anschließend Wasser zu Dampf, der eine zweite Turbine in Bewegung hält, die über einen Generator weitere elektrische Energie erzeugt. Die Restwärme des Dampfes wird dann dazu genutzt, Fernwärme zu erzeugen. So sind Wirkungsgrade von 85 Prozent und mehr machbar. Zusammen mit den übrigen GuD-Anlagen der VVS (Heizkraftwerk Römerbrücke und mehrere kleinere Blockheizkraftwerke) versorgt das Unternehmen in der Landeshauptstadt derzeit 9000 Haushalte mit Fernwärme. "Wären das alles einzelne Öl- oder Gasheizungen, würden wesentlich mehr Kohlendioxid (CO{-2}), Schwefel- und Stickoxide in die Luft geblasen, als dies derzeit der Fall ist", bilanziert VVS-Chef Severin.

Finanziell gedankt "wird uns dieser Beitrag zum Umweltschutz nicht", so die VVS-Geschäftsführer. Denn der in den GuD-Anlagen erzeugte Strom wird nur dann gebraucht, wenn Wind und Sonne ausfallen. Nach den jetzt geltenden Marktbedingungen des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) hat "grüner Strom" Vorrang - bei garantierter Einspeisevergütung und unabhängig vom tatsächlichen Strompreis. Nur wenn die Sonne nicht scheint und Windstille herrscht, dürfen andere Stromerzeuger wie Atommeiler, Braun- und Steinkohlekraftwerke einspringen. Erst ganz am Ende werden Gasturbinen beziehungsweise die GuD-Anlagen zugeschaltet. Versorger wie die VVS, die im Winter zur Lieferung von Fernwärme verpflichtet sind, müssen ihre GuD-Anlagen dennoch fahren, "obwohl der Strompreis dies betriebswirtschaftlich eigentlich verbietet", sagt Severin. Er wird an der Strombörse in Leipzig angeboten, doch dort herrscht ein gnadenloser Preisverfall für elektrische Energie.

Die Kraftwärme-Kopplung in Großanlagen wird zwar gefördert - und zwar nach Angaben des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU) mit 1,8 Cent pro Kilowattstunde. "Dennoch machen wir Verluste, wenn wir unsere Anlagen nur laufen lassen, um Heizwärme zu erzeugen", sagen die Energie-Manager. Sie fordern deshalb eine Grundvergütung für das Vorhalten des Kraftwerks oder zumindest eine höhere Einspeisevergütung. "Sonst fahren viele KWK-Geschäftsmodelle an die Wand."Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sieht das Problem, dass durch die derzeitigen Marktbedingungen das Geschäftsmodell der Kraftwärme-Kopplung (KWK) auf Basis großer Gas- und Dampfkraftwerke (GuD) nicht mehr zukunftsfähig ist. "Ein GuD-Kraftwerk muss zwischen 3000 und 5000 Volllaststunden pro Jahr in Betrieb sein", sagt Stefan Luig, stellvertretender VKU-Pressesprecher. "Doch davon sind die meisten Anlagen weit entfernt."

Der Verband fordert einen Umbau der Marktbedingungen. Es müsse künftig auch derjenige belohnt werden, der elektrische Leistungen vorhält für die Perioden, in denen "grüner Strom" aus Wind oder Sonne nicht zur Verfügung steht. Nur wenn die Bereitstellung elektrischer Leistung belohnt würde, entstünde ein Anreiz, in konventionelle Kraftwerke modernster Bauart und auch in große KWK-Anlagen zu investieren, die mit ihrem hohen Wirkungsgrad und den angeschlossenen Fernwärme-Netzen "einen großen Beitrag zum Umweltschutz leisten können", sagt Luig.

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