"Wenn man es am wenigsten erwartet, geht die Welt unter"

Saarbrücken. "Wenn man es am wenigsten erwartet, geht die Welt unter, und nichts ist mehr wie es war." Plötzlich müssen Riva und ihr Bruder Andrea die Schule verlassen, die Familie versteckt sich. Warum scheinen die Leute sie nicht mehr zu mögen? Die Kinder verstehen es nicht, die Eltern sind verzweifelt, dann wird der Vater ermordet. Nur Flucht bleibt

 Das Stück tragend: Eva Coenen und Nicolas Bertholet. Foto: Bellhäuser

Das Stück tragend: Eva Coenen und Nicolas Bertholet. Foto: Bellhäuser

Saarbrücken. "Wenn man es am wenigsten erwartet, geht die Welt unter, und nichts ist mehr wie es war." Plötzlich müssen Riva und ihr Bruder Andrea die Schule verlassen, die Familie versteckt sich. Warum scheinen die Leute sie nicht mehr zu mögen? Die Kinder verstehen es nicht, die Eltern sind verzweifelt, dann wird der Vater ermordet. Nur Flucht bleibt. Die Überzwerg-Premiere "Fluchtwege" am Freitag, ein Stück von Nick Wood unter der Regie von Schauspieler Frank Engelhardt, rückt die verschrobene, von Statistiken bestimmte Sicht zurecht, die wir von Flüchtlingen und Asylanten haben.Ein Krieg bricht aus, spaltet ein Volk in Lager; Misstrauen und Hass regieren. Menschen müssen ihre Heimat verlassen, um ihr Leben zu retten. Jedem kann das passieren, überall. Nahtlos schlüpfen Eva Coenen und Nicolas Bertholet in mehrere Rollen. Coenens Riva ist die unverdorbene kindliche Freundlichkeit, die jedem eine Chance gibt und nur gemocht werden will. Bertholet begegnet dem Argwohn der Menschen mit Wut und Zynismus. Die Kinder klammern sich an das, was ihnen geblieben ist - ein Ball, ein Stofftier, Geschichten von früher. Die beiden spielen auch die Eltern und den zwielichtigen Onkel, einen jungen Rassisten. Ein umgelegter Schal, Mimik und Sprache leicht variiert: perfekte Figurenwechsel. Unglaublich, wieviele verschiedene Charaktere sie überzeugend verkörpern. Vor allem das Schicksal des Geschwisterpaars geht nahe. Berührend lassen Coenen und Bertholet sie zwischen Furcht, Mut und Hoffnung schwanken. Die Familie landet schließlich in Deutschland, mit Hunderten in einem Heim. Sie sprechen die Sprache nicht, wissen nicht, ob sie bleiben können. Auf der Bühne stehen nur graue Quader, die an Koffer erinnern, aber auch zu Möbeln oder Mauern werden. Wo kommt soviel Hass her? Woher die Angst vor den Fremden? Hat man nicht ein Recht, dort zu leben, wo es einem gut gehen könnte? "Fluchtwege", feinfühlig inszeniert, lehrt Menschlichkeit, ohne pathetisch zu sein. So bezwingend gespielt, lässt es einen lange nicht los. rr

Wieder heute, morgen und am 8., 9. 12. (jeweils 9.30 Uhr)

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