Museen im Saaralnd Wenn ein geflickter Rock glücklich macht

Das Museum für Mode und Tracht in Nohfelden feiert diese Woche seinen 13. Geburtstag. 3136 Teile sind im Bestand. Die Zukunft ist ungewiss.

 In diesem Gebäude, dem ehemaligen Amtsgericht, ist das Museum für Mode und Tracht in Nohfelden untergebracht.

In diesem Gebäude, dem ehemaligen Amtsgericht, ist das Museum für Mode und Tracht in Nohfelden untergebracht.

Foto: Rosel Böhmer

Heidi Meier strahlt. Und das wegen eines Lochs in einem Kleidungsstück. Sie hält einen Unterrock aus dem Jahr 1890 in der Hand. Diesen hat sie gerade erst aus Riegelberg mitgebracht. Dort wurde der Haushalt eines Bauernhauses aufgelöst. Und die Besitzer boten dem Nohfelder Museum für Mode und Tracht die alte, zum Teil historische Kleidung an. Darunter dieser Unterrock. Und warum strahlt die Museumsleiterin so? „Das Besondere an diesem Unterrock ist, dass wir erstmals sehen, wie damals geflickt wurde.“

Meier ist, genau wie Rosel Böhmer, die sich ebenfalls ehrenamtlich um den Museumsbetrieb kümmert, sehr begeisterungsfähig. Beide haben in den vergangenen 15 Jahren jede Menge Fachliteratur gewälzt, haben sich auf Fortbildungen schlau gemacht. Sie wissen nicht nur, welche Kleidung in welcher Zeit getragen wurde, sondern auch warum. Und dieses Wissen geben sie an ihre Besucher weiter. „Die Führungen sind das A und O“, sagt Böhmer. Denn allein auf Schildern könne man einfach nicht das vermitteln, was im persönlichen Gespräch entsteht. Und von den Gesprächen profitiere manchmal auch das Museum. So war einmal ein Mann aus Oberfranken zu Besuch. Ihm erzählte Meier, dass das Museum zwar einige Bergmannsuniformen habe, dass aber noch ein Schachthut aus der bayerischen Zeit fehle. Einige Wochen später schickte der Mann eine komplette Bergmanns-Tracht  – samt Schachthut. Beides ist Teil der Dauer-Ausstellung in dem Museum, das der Saarländische Volkstanz- und Trachtenverband betreibt. Zur Dauer-Ausstellung zählen auch besonders alte Kleidungsstücke wie etwa ein schwarzes Hochzeitskleid aus dem Jahr 1845. „Vor dem bleiben viele Besucher länger stehen“, weiß Böhmer. Genau wie vor dem schwarzen Spitzen-Umhang aus dem Jahr 1900. Oder auch verschiedene Arten von Hauben sind dauer-
haft zu sehen. Kurios dabei: Eine Haube aus dem Jahr 1834 ist sogar doppelt vorhanden. Einmal als Leihgabe. Die zweite hat eine Frau dem Museum geschenkt, nachdem sie selbst die Leihgabe im Museum entdeckt hatte. „Sie hatte sie an Fastnacht getragen“, weiß Böhmer.

Auch alle anderen Trachten-Stücke zählen zur Dauerausstellung. Allerdings sei es schwierig, an solche Exemplare ranzukommen, sagt Meier: „Die Tracht ist bei uns im Saarland früh verschwunden.“ Dafür gebe es zwei Gründe. Zum einen Napoleon, der den Code civil eingeführt habe. Darin sei geregelt gewesen, dass nicht automatisch der Älteste das Hab und Gut erbe, sondern dass es unter den Kindern aufgeteilt werde.  Ausbezahlen sei oft nicht möglich gewesen, also wurden die Höfe aufgegeben: „Aus den Bauern wurden Arbeiter“, so Böhmer. Und diese definierten sich eben nicht mehr so wie die bäuerliche Bevölkerung durch die Kleidung. Der zweite Grund, warum im Saarland nicht so lange Tracht getragen wurde wie anderswo, sei die Nähe zu Frankreich. Meier: „Sie hat uns die Mode gebracht.“

Trachten sind gar so selten, dass im Museum Anfragen ganz anderer Art auflaufen: „Es gab schon Leute, die wollten Trachten leihen – für Fastnacht oder eine Hochzeit“, so Böhmer. Aber: „Wir verleihen nicht.“ Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel. So  tauschen sich die Nohfelder mit anderen Museen aus. Oder statteten die St. Wendeler Frauen aus, als diese ein Theaterstück über Königin Luise auf die Bühne brachten. Apropos Theater. Auf der anderen Seite hat das Museum mittlerweile so viele Gehröcke in seinem Bestand, dass „wir damit einen ganzen Theaterverein ausstatten könnten“, sagt Meier. Gesucht werde hingegen Ausgefallenes. So wünscht sich Böhmer eine „Leib-und-Seele-Hose für den Mann, heute würde man sagen Body.“

3136 Teile hat das Museum mittlerweile im Bestand – die haben sich seit der Eröffnung am 9. September 2005 angesammelt. Diese wurden dann in Sonderausstellungen wie „Bettgeflüster“, „Schürzenjäger“ oder „Ganz in Weiß“ ausgekramt. Fast alles sind Schenkungen. Geld zum Exponate-Ankauf hat das Museum nicht. Das Budget ist sehr gering. Und wenn die Gemeinde Nohfelden Miete für das Alte Amtshaus verlangen würde, könne das Museum gar nicht existieren. Im Schnitt kommen  zwischen 500 und 1000 Besucher pro Jahr. Darunter seien auch viele Bostalsee-Touristen; Belgier und auch Holländer. Der Museumsbetrieb ist eher eine Herzensangelegenheit. Die Heidi Meier auch weiter betreibt, obwohl sie  seit mehr als zwei Jahren in Ingelheim wohnt. Noch immer bessert sie Kleidungsstücke aus, näht und flickt und sucht passendes Material. Gerade jetzt ein Samtband, um einen  Umhang  in Schuss zu bringen.

Aber wie geht es weiter mit dem Museum?  Nur wenige Ehrenamtliche unterstützen Böhmer und Meier. Von ihrem Fachwissen mal ganz zu schweigen. „Wir wissen noch keine Lösung, aber wir werden eine finden“, ist die Museumsleiterin zuversichtlich.

Serie Museen im Saarland: Die SZ stellte in den vergangenen Monaten jeweils wöchentlich ein saarländisches Museum vor. Teil 1: Interview mit Meinrad Maria Grewenig, Generaldirektor Weltkulturerbe Völklinger Hütte und Präsident Saarländischer Museumsverbandes (6. Juni), Teil 2: Roland Mönig und Moderne Galerie (13. Juni), Teil 3: Ludwig-Galerie Saarlouis (20. Juni), Teil 4: St. Wendeler Museum im Mia Münster Haus (27. Juni), Teil 5: Uhrenmuseum Köllerbach (4. Juli), Teil 6: Historisches Museum Saarbrücken (11. Juli), Teil 7: Römermuseum Schwarzenacker (18. Juli), Teil 8: Saarland-Museum für Vor- und Frühgeschichte (25. Juli), Teil 9: Zeitungsmuseum Wadgassen (1. August), Teil 10: Altenkirch-Museum Rubenheim (8. August), Teil 11: Die Römische Villa Borg (15. August). Teil 12: Jean-Lurçat-Museum Eppelborn (22. August). Teil 13: Keramikmuseum Mettlach (29. August). Teil 14: Museum für Mode und Tracht Nohfelden (5. September). Teil 15: Theulegium Tholey (12. September).

 Historische Nacht- und Unterwäsche ist Teil der derzeitgen Sonderausstellung „Hautnah“.

Historische Nacht- und Unterwäsche ist Teil der derzeitgen Sonderausstellung „Hautnah“.

Foto: Melanie Mai
 Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen Rosel Böhmer (links) und Heidi Meier zeigen eine Auswahl von Nachtwäsche.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen Rosel Böhmer (links) und Heidi Meier zeigen eine Auswahl von Nachtwäsche.

Foto: Melanie Mai
 Zweimal die gleiche Fächerhaube aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; einmal als Leihgabe, einmal als Eigentum des Museums (rechts).

Zweimal die gleiche Fächerhaube aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; einmal als Leihgabe, einmal als Eigentum des Museums (rechts).

Foto: Melanie Mai
 Vom Husaren-Regiment König Wilhelms stammt diese Uniform.

Vom Husaren-Regiment König Wilhelms stammt diese Uniform.

Foto: Melanie Mai
 Ein Blick ins Depot. Hier lagern Kleidungsstücke. 

Ein Blick ins Depot. Hier lagern Kleidungsstücke. 

Foto: Melanie Mai
 Museumsleiterin Heidi Meier zeigt einen Unterrock, der neu im Bestand des Museums ist. Sein positiver Makel: Er wurde geflickt.

Museumsleiterin Heidi Meier zeigt einen Unterrock, der neu im Bestand des Museums ist. Sein positiver Makel: Er wurde geflickt.

Foto: Melanie Mai
 Die Uniform aus Bayern schickte ein Besucher unaufgefordert zu.  

Die Uniform aus Bayern schickte ein Besucher unaufgefordert zu.  

Foto: Melanie Mai
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