Wenn der Zoll im Laden steht

Saarbrücken · Die Einführung des Mindestlohns hat dem Zoll Mehrarbeit beschert – die Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit prüft nun viele zusätzliche Branchen. Und nicht immer geht das ohne Nervosität bei den Betroffenen.

 Bei der Kontrolle versuchen die Zöllner, möglichst wenig Aufsehen zu erregen. Foto: Rich Serra

Bei der Kontrolle versuchen die Zöllner, möglichst wenig Aufsehen zu erregen. Foto: Rich Serra

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Die Aktion geht ohne größeres Aufsehen vonstatten. Acht Mitarbeiter des Zolls betreten in Zivil den Laden. Während zwei an der Tür stehen bleiben, kontaktieren die übrigen Mitarbeiter und Filialleitung. Die Aufgabe: Mindestlohn-Kontrollen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit . "Wichtig für uns ist, dass wir kein großes Aufsehen erregen", sagt Diana Weis, Sprecherin des Hauptzollamtes in Saarbrücken . "Deshalb treten wir hier auch nicht in Uniform auf."

Während der Zoll zum Beispiel auf dem Bau seit Jahren wegen möglicher Schwarzarbeit kontrolliert, sind durch Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns im Januar viele Branchen dazugekommen, die diese Aktionen nicht kennen. "Dadurch entsteht erst einmal große Nervosität", sagt einer der Zöllner. So auch bei den Kontrollen in einem Saarbrücker Handelszentrum. Bei der ersten Prüfung will die Filialleiterin erst einmal mit der Zentrale telefonieren. Parallel werden bereits Angestellte zu ihrem Arbeitsverhältnis befragt. "Unsere Aufgabe ist es erst einmal vor allem, die Situation zu beruhigen", sagt Michael B. Trotz der ersten Aufregung läuft die Kontrolle geordnet ab. Nach einer halben Stunde ist alles vorbei. Eine Mitarbeiterin atmet auf: "Das war schon schlimm", sagt sie. Dass plötzlich all die Zoll-Mitarbeiter im Geschäft und in den Nebenräumen standen, habe sie schon nervös gemacht. "Außerdem bleibt ja auch die Arbeit liegen."

Gleich mehrere Geschäfte nehmen die Zöllner bei der Kontrolle im Einkaufszentrum unter die Lupe. Bei solchen "anlasslosen Kontrollen" gehe es auch darum, mit Mindestlohn-Kontrollen Präsenz zu zeigen, sagt Armin Rolfink, Referatsleiter im Bundesfinanzministerium. "Gerade wenn in Filialen großer Ladenketten kontrolliert wird, spricht sich das schnell rum." Dadurch werde potenziellen Verstößen gegen den Mindestlohn schon vorgebeugt.

Letztlich gehe es bei den Kontrollen darum, Widersprüche aufzudecken, sagt Matthias Druy, Sachgebietsleiter für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Saarbrücken . Dafür werden von den Mitarbeitern unterschiedlichste Daten erfasst - unter anderem Dauer der Beschäftigung, Entlohnung, Arbeitszeiten und Überstundenvergütung. Kommt es zu Widersprüchen, weil beispielsweise trotz großen Arbeitsaufkommens angeblich kaum jemand anwesend war, stehen dem Zoll umfangreiche Prüfungsmöglichkeiten zur Verfügung. "Der Arbeitgeber hat Mitwirkungspflicht", sagt Druy. Dem Zoll müssen sämtliche Unterlagen wie beispielsweise die Buchhaltung vorgelegt werden. Und bei Verstößen sei es auch möglich, Vermögen "mit unklarem Hintergrund" bis zur Klärung einzufrieren. "Wir treffen dann da, wo es am meisten wehtut", sagt er.

Im Einkaufszentrum geht es unterdessen weiter. Die nächste Prüfung läuft erstaunlich entspannt ab. Der Filialleiter, er arbeitet gerade an einer neuen Dekoration, bringt die Mitarbeiter des Zolls in die Büroräume, steht für alle Auskünfte direkt zur Verfügung. Bei der Befragung der Auszubildenden kommt dann die erste Hürde. Sie hat keinen Personalausweis, keinen Führerschein. Aber den Schülerausweis - auch der reicht aus. "Wir müssen nur die Identität glaubhaft feststellen", sagt Michael B. Im Zweifelsfall reiche auch die Aussage des Arbeitgebers, wenn diese durch die Meldebehörden bestätigt werde.

Dass die Kontrollen mehr sind als eine unverbindliche Plauderei über Arbeitszeiten, zeigt aber auch die Ausrüstung der Kontrolleure. Mehrere tragen Waffen, alle haben schusssichere Westen. Obwohl das nicht die Regel sei, müsse man grundsätzlich auch mit Zwischenfällen rechnen, sagt Michael B. Wie häufig bei solchen Kontrollen Verstöße zutage treten, hänge von der jeweiligen Branche ab, sagt Pressesprecherin Weis. Häufig gebe es, wie bei der Kontrolle im Einkaufszentrum keine Probleme. In Gastronomie oder Logistik komme es dagegen schon häufiger zu Verstößen, sagt einer der Prüfer. Und auch auf dem Bau gebe es trotz bereits jahrelanger Kontrollen immer wieder Schwarzarbeits-Fälle.

Neben solchen anlassbezogenen Prüfungen wird der Zoll häufig auch nach Hinweisen aktiv. "Die kommen meist aus der Bevölkerung, von Konkurrenten oder von betroffenen Mitarbeitern", sagt Druy. Wegen der Menge an Hinweisen - in Berlin beispielsweise seien es insgesamt rund 12 000 pro Jahr, sagt Referatsleiter Rolfink - müssten diese erst einmal auf Relevanz geprüft werden. Doch auch wenn die Zöllner aktiv werden, "handelt es sich nicht immer um Schwarzarbeit- oder Mindestlohn-Verstöße. Manchmal baut auch einfach ein Saarländer gemeinsam mit dem Schwiegervater und dem Nachbarn eine neue Garage auf", sagt Druy.

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Hintergrund118 Mitarbeiter hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit im Hauptzollamt Saarbrücken . Sie ist an Dienstorten in Saarbrücken , Kaiserslautern und Landau präsent. Weitere 18 Mitarbeiter sind für die Ahndung von Verstößen zuständig. Insgesamt hat das Hauptzollamt 450 Mitarbeiter, die mit dem Saarland und dem südlichen Rheinland-Pfalz ein Gebiet von insgesamt 7590 Quadratkilometern betreuen. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit hat im vergangenen Jahr 10 300 Personenbefragungen gemacht, 1500 Mal Arbeitgeber geprüft, fast 3000 Strafverfahren sowie mehr als 1000 Bußgeldverfahren eingeleitet. Die ermittelte Schadensumme lag bei knapp zehn Millionen Euro. jwo

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