Wenn Beschäftigte gedopt sind

Stress, Konkurrenz und Zeitdruck – um den wachsenden Anforderungen im Job gerecht zu werden, greifen immer mehr Bundesbürger zu leistungssteigernden Medikamenten. Nach einer gestern veröffentlichten Studie der DAK dopen knapp drei Millionen Arbeitnehmer. Nachfolgend die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Thema, aufgearbeitet von SZ-Korrespondent Stefan Vetter.

Was wurde genau untersucht?

Untersucht wurde, ob und wie Erwerbstätige ohne medizinische Notwendigkeit zu verschreibungspflichtigen Medikamenten greifen, um im Beruf leistungsfähiger zu sein oder Stress abzubauen. Dazu wurden die Arzneimitteldaten von 2,6 Millionen Versicherten analysiert und eine repräsentative Befragung unter rund 5000 Beschäftigten durchgeführt. Demnach haben aktuell 6,7 Prozent der 20- bis 50-Jährigen das so genannte Hirndoping mindestens einmal schon praktiziert. Die Dunkelziffer wird auf etwa zwölf Prozent geschätzt. Damit wären es sogar fünf Millionen Erwerbstätige , die auf legale Mittel zur Leistungssteigerung zurückgreifen.

Wie kommen Betroffene zu den Medikamenten?

Experten zufolge geben Patienten beim Arzt nicht selten Beschwerden an, die sie gar nicht haben, um an ein bestimmtes verschreibungspflichtiges Medikament zu gelangen. Oder sie nutzen die Nebenwirkungen eines Präparats bewusst aus. Beispiel Betablocker . Die Mittel gegen Bluthochdruck sind auch geeignet, um Prüfungsängste abzubauen. Etwa jeder siebte Konsument bezieht seine Medikamente von Familienmitgliedern oder Freunden, die diese regulär verordnet bekommen. Fast neun Prozent versorgen sich über zweifelhafte Quellen aus dem Internet, um die Rezeptpflicht zu umgehen.

Um welche Mittel geht es genau?

Hoch im Kurs stehen Medikamente gegen Angst, Nervosität und Unruhe. Sie werden von gut 60 Prozent der Konsumenten genutzt. Etwa jeder Dritte setzt auf Medikamente gegen Depressionen. Jeder Achte nutzt Pillen gegen Schläfrigkeit, und jeder Zehnte schwört auf Präparate gegen Konzentrationsstörungen wie ADHS. Männer favorisieren Aufputschmittel, Frauen eher Medikamente zur Beruhigung.

Wer ist besonders anfällig?

Erstaunlicherweise greifen weniger die Top-Manager zu Arzneien. Vielmehr gilt der Grundsatz: Je unsicherer der Job, desto höher ist das Risiko für Hirndoping. Immerhin 8,5 Prozent der Beschäftigten mit einfacher Tätigkeit haben schon mal zu entsprechenden Pillen gegriffen. Unter den höher Qualifizierten sind es nur 6,7 Prozent.

Wie ist die Entwicklung insgesamt zu bewerten?

"Doping im Job ist kein Massenphänomen", kommentierte DAK-Chef Herbert Rebscher die Ergebnisse. Aber es gebe eine "deutliche Tendenz" zu verstärktem Missbrauch. Der Direktor der Mainzer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klaus Lieb, warnte zudem vor falschen Hoffnungen. Oft zeigten die Medikamente nur kurzfristige und minimale Effekte. "Demgegenüber stehen hohe gesundheitliche Risiken wie körperliche Nebenwirkungen bis hin zur Persönlichkeitsveränderung und Abhängigkeit", so Lieb.

Welche Alternativen gibt es?

Laut Experten ist die innere Einstellung entscheidend. Wer übertriebene Ansprüche an sich stelle, sei anfälliger. Um Stress besser zu meistern, hülfen neben guter Ernährung und Sport eine gute Arbeitsorganisation sowie ausreichend Schlaf.

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