Weniger Entschädigung für Flugpassagiere

Berlin · Die Grünen werfen der EU vor, die Fluggastrechte beschneiden zu wollen. So soll zum Beispiel Passagieren künftig keine Entschädigung mehr zustehen, wenn ein Flugzeug wegen eines technischen Defekts deutlich später startet.

 Bei drei Stunden Verspätung sollen Flugreisende künftig nur noch halb so viel Entschädigung erhalten wie bisher. Foto: Fotoloa/Lightpoet

Bei drei Stunden Verspätung sollen Flugreisende künftig nur noch halb so viel Entschädigung erhalten wie bisher. Foto: Fotoloa/Lightpoet

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Flugpassagiere sollten heute nach Luxemburg schauen. Dort kommen die Verkehrsminister der EU-Länder zusammen, um über die "Aktualisierung der EU-Vorschriften über Fluggastrechte" zu beraten. Dahinter verbirgt sich nach Ansicht der Grünen nichts Gutes. Denn sollten die geplanten Neuregelungen verabschiedet werden, werden die Passagiere bei Flugverspätungen deutlich weniger Entschädigung erhalten. Das geht aus zwei von der Bundestagsfraktion in Auftrag gegebenen Gutachten hervor, die unserer Zeitung vorliegen.

Bisher müssen Airlines ab einer dreistündigen Verspätung einen Ausgleich zahlen - je nach Länge der Strecke zwischen 250 und 600 Euro. Künftig soll die Dauer der Verspätung entscheidend sein. Ab drei Stunden Unpünktlichkeit werden nur noch 125 Euro fällig. 250, 400 und 600 Euro gibt es dann erst bei Verspätungen ab fünf, neun und zwölf Stunden. Noch wichtiger: Bei "unerwarteten Flugsicherheitsdefekten" sollen die Airlines künftig komplett von ihrer Entschädigungspflicht befreit werden. Darunter fallen technische Probleme, die die Hauptursache für die Verzögerungen sind.

Der Wormser Professor für Touristik und Verkehrswesen, Adrian von Dörnberg, sieht deshalb "dramatische Nachteile" auf die Verbraucher zukommen, wenn der Vorschlag der lettischen Ratspräsidentschaft umgesetzt werden sollte. Laut seinem Gutachten für die Grünen reduzieren sich die Ansprüche der Fluggäste in Europa von rund fünf Milliarden Euro auf 1,7 Milliarden Euro pro Jahr -"das heißt, um circa 70 Prozent." In 65 Prozent der Fälle sei der Verspätungsgrund bislang ein technischer Defekt, der dann nicht mehr zu einer Ausgleichszahlung führe. Fazit des Experten: Pünktlichkeit als Dienstleistungsmerkmal der Airlines werde "abgeschafft". Auch der kommerzielle Fluggasthelfer Flightright beklagt in seiner Expertise für die grüne Fraktion erhebliche Nachteile für den Verbraucher. Würde der Ratsvorschlag umgesetzt, hätten rund 43 Prozent weniger Reisende einen Anspruch auf Entschädigung. Offenbar sollten die Airlines "finanziell stark entlastet" werden.

Die Vorsitzende des Verbraucherausschusses, Renate Künast (Grüne), sagte: "Eine solche Verordnung, die die Fluggastrechte systematisch abbaut, muss abgelehnt werden." Der Vorschlag stelle "eine unverschämte Privilegierung der Fluggesellschaften im Vergleich zur nachhaltigen Bahn dar". Der Sprecher der Grünen für Verbraucherschutz im Flugverkehr, der saarländische Bundestagsabgeordnete Markus Tressel, sprach von einem "klaren Lobbysieg der Fluglinien auf Kosten der Passagiere ". Die Bundesregierung und das EU-Parlament müssten bei den Verhandlungen in den nächsten Monaten der EU-Kommission und insbesondere der Ratspräsidentschaft in den Arm fallen.

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