Wenig Sympathie für deutsche Energiewende

Hamburg · Rund ein Drittel des Erdgases für die EU kommt aus Russland. Kann Gas in der aktuellen Krise zur Waffe werden? Die G7-Energieminister suchen bei ihrem Treffen in Hamburg Alternativen – und spielen beim Programm nicht immer so mit, wie Gastgeber Gabriel sich das wünscht.

Ein halbes Jahr vor dem Weltklimagipfel in Paris versucht Deutschland, die führenden westlichen Industrienationen zu mehr Tempo zu bewegen. Gestern begann in Hamburg ein zweitägiges Treffen der G7-Energieminister. Am Rande flog Gastgeber Sigmar Gabriel (SPD ) an die Küste. Dort nahm der Bundeswirtschaftsminister demonstrativ einen großen Windpark in der Nordsee in Betrieb. Europas größte Volkswirtschaft wolle Vorreiter beim Ausbau erneuerbarer Energien bleiben. So könne auch die Abhängigkeit von Gas aus Russland verringert werden, lautete seine Botschaft. Der Windpark Nordsee-Ost des Energiekonzerns RWE steht rund 35 Kilometer von Helgoland und 40 Kilometer von der Insel Amrum entfernt. Mit der installierten Leistung von 295 Megawatt können jährlich rund 320 000 Haushalte mit Strom versorgt werden.

Anders als von Gabriel geplant nahm aber keiner der ausländischen Minister an dem Helikopter-Flug zum Offshore-Windpark teil. Einzelne Ressortchefs waren entschuldigt, andere blieben in Hamburg .

Deutschland, das derzeit den G7-Vorsitz hat, will die anderen G7-Mitglieder vom deutschen Energiewende-Modell überzeugen. So möchte die Bundesregierung auch einen Beitrag zum Gelingen der Konferenz in Paris leisten. Die Widerstände aber sind groß, ob ein verbindliches Abkommen erreicht wird, ist ungewiss. EU-Energie-Kommissar Miguel Cañete ermahnte den G7-Club zu schnellem Handeln: "Wir brauchen ein anspruchsvolles Abkommen dieses Jahr." Paris sei eine einzigartige Chance.

Der US-Energieminister Ernest Moniz unterstrich ebenfalls die Bedeutung des Klimagipfels in der französischen Hauptstadt, sprach aber auch von Herausforderungen, die vorher noch zu lösen seien. "Wir brauchen eine starke internationale Antwort." Neben dem Klimaschutz dürfe die Energiesicherheit nicht aus dem Blick verloren werden, sagte Moniz unter Verweis auf die Russland-Ukraine-Krise.

Im Schnitt beziehen die EU-Staaten nach Angaben der EU-Kommission etwa 30 Prozent ihrer Erdgas- und 35 Prozent ihrer Rohölimporte aus Russland. Trotz eines Ökostromanteils von bereits knapp 28 Prozent wird auch rund ein Viertel des deutschen Energiebedarfs noch mit russischer Hilfe gesichert - neben Gas gehören dazu Erdöl und Steinkohle.

Bis heute wollen die G7-Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA in Hamburg an ihrem 13-Punkte-Plan für eine sichere Energieversorgung weiterarbeiten. Das Konzept war im Mai 2014 in Rom als Antwort auf die Ukraine-Russland-Krise beschlossen worden. Ein Ziel ist, durch den Ausbau von Transportinfrastruktur, Speicherkapazitäten und Terminals den Import von Flüssiggas aus den Golfstaaten zu stärken, um mehr Alternativen zu russischen Gaslieferungen zu haben.

Meinung:

Kein schlüssiges Konzept

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid

Mit großer Inbrunst suchen die G7-Energieminister nach Optionen, die Abhängigkeit von Russland bei den Energielieferungen zu verringern. Warum sie dies tun, erschließt sich nicht. Russland hat bislang alle seine Lieferverpflichtungen erfüllt. Problematisch waren nur die Gaslieferungen über die Ukraine, dies aber hauptsächlich, weil dort Gas abgezweigt wurde, ohne zu bezahlen. Dass jetzt der Flüssiggas-Import aus den Golfstaaten erwogen wird, ist ein Treppenwitz. Dort sind die politischen Verhältnisse wesentlich instabiler als in Russland. Außerdem verfügt Europa kaum über Flüssiggas-Terminals. Ein schlüssiges Konzept sieht anders aus.

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