Wem gehört das Gold der Welfen?

Berlin · Gestohlen, nicht gekauft – seit Jahren fordern die Erben jüdischer Kunsthändler die Rückgabe des Welfenschatzes. Die Preußenstiftung weigert sich. Heute soll eine Kommission schlichten.

Der Schatz zählt zu den wertvollsten Zeugnissen mittelalterlicher Kunst: Das Gold der Welfen ist seit Jahrzehnten eine Hauptattraktion der Berliner Museen. Um den einstigen Kirchenschatz aus dem Braunschweiger Dom kämpfen seit Jahren die Erben jüdischer Kunsthändler. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz lehnt eine Rückgabe ab. Heute berät dazu eine von Bund und Ländern eingesetzte Kommission, die bei Streitigkeiten über NS-Raubkunst vermittelt.

Der Fall gleicht in seiner Brisanz dem Fund der Gurlitt-Sammlung. Die Entscheidung zum Welfenschatz könnte ein Signal für den weiteren Umgang mit NS-Raubkunst in Deutschland sein. International wird der Streit um den einstigen Besitz aus dem Fürstenhaus Hannover genau beobachtet. Im November meldete sich Israels Kulturministerin Limor Livnat zu Wort und betonte die Bedeutung des Themas für Israel und die Holocaust-Überlebenden. Für die Preußenstiftung dagegen ist die Lage klar: Die vier Kunsthändler, die 1935 Teile des Schatzes an den von den Nazis gleichgeschalteten Staat Preußen verkauften, handelten aus freien Stücken. Der Preis sei mit 4,25 Millionen Reichsmark marktgerecht gewesen.

Doch war die Transaktion wirklich ein normales Geschäft? Keineswegs, argumentieren die Nachfahren von Zacharias Max Hackenbroch, Isaac Rosenbaum, Saemy Rosenberg und Julius Goldschmidt. Nach 1933 seien die Sammler wie alle Juden in Deutschland eingeschüchtert, und entrechtet worden. In das Geschäft waren Nazi-Größen wie der preußische Ministerpräsident Hermann Göring involviert. Vermittler war die Dresdner Bank, die den Nazis nahestand.

Marburger Anwalt vertritt Erben

Eingesetzt haben die Erben des Händlerkonsortiums den Marburger Anwalt Markus Stötzel, der unter anderem die Rückgabe eines Kokoschka-Bildes aus dem Besitz des Kunstsammlers Alfred Flechtheim erstritt, und seinen New Yorker Kollegen Mel Urbach. Sie stützen ihr Restitutionsbegehren auf die "Washingtoner Erklärung" von 1998. Darin verpflichtete sich Deutschland, NS-Raubkunst unabhängig von Verjährungsfristen zurückzugeben. Seit 2001 legt eine "Handreichung" zudem fest, dass die Rückgabepflicht auch für Kunst aus öffentlichen Einrichtungen gilt, die Juden unter Verfolgungsdruck verkaufen mussten.

Dagegen erklärt die Preußenstiftung: "Die Voraussetzungen für die Herausgabe des Welfenschatzes an die Erben der Kunsthändler Goldschmidt, Hackenbroch, Rosenberg und Rosenbaum liegen nicht vor. Der Verkauf des Welfenschatzes erfolgte nicht NS-verfolgungsbedingt als Zwangsverkauf, auch wenn die Verkäufer NS-verfolgte Juden waren." Es handele sich um einen "seltenen Einzelfall", betonte die Stiftung. Die Dokumente belegten auch, dass Verkäufer über diese Mittel frei verfügen konnten. Zudem habe sich der Welfenschatz seit 1930 im sicheren Ausland befunden. Die 42 Teile seien erst nach Kaufpreiszahlung Zug um Zug herausgegeben worden.

Laut der Kunsthändler-Erben sprechen Unterlagen, die im Archiv der Dresdner Bank lagern, eine andere Sprache. In einem Brief aus dem preußischen Kunstministerium von 1934 heißt es, das Händlerkonsortium befinde sich in Zahlungsschwierigkeiten, der Zeitpunkt für einen Gesamteinkauf durch den Staat zu einem "bedeutend geringeren Preis" sei "außerordentlich günstig". Damit sei klar, so die Erben, dass die Nazis die Notlage der Verkäufer ausnutzten.

Anders als bei bisherigen Restitutionsbegehren, die die Preußenstiftung erreichten, gab es im Fall des Welfenschatzes keinen Kompromiss. So riefen Stötzel und Urbach die Kommission unter Vorsitz von Ex-Bundesverfassungsrichterin Jutta Limbach an, die in solchen Fällen vermitteln soll. Ihr Votum ist nicht bindend - aber sie könnte eine wegweisende Entscheidung treffen.

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