Weltverständnis mit dem Körper
Warum sind die Menschen seit Jahrhunderten derart fasziniert von Detektivgeschichten wie "Sherlock Holmes"?Ritchie: Ich glaube, dass Neugier und Entdeckungslust fest in der menschlichen Natur angelegt sind. Daher wirken diese Detektiv-Geschichten so anregend und unterhaltsam auf uns. "Sherlock Holmes" ist Ihre erste große Hollywood-Produktion
Warum sind die Menschen seit Jahrhunderten derart fasziniert von Detektivgeschichten wie "Sherlock Holmes"?
Ritchie: Ich glaube, dass Neugier und Entdeckungslust fest in der menschlichen Natur angelegt sind. Daher wirken diese Detektiv-Geschichten so anregend und unterhaltsam auf uns.
"Sherlock Holmes" ist Ihre erste große Hollywood-Produktion. Wie groß war Ihr Erfolgsdruck?
Ritchie: Je älter ich werde desto weniger Stress bereitet mir das Filmemachen. Die ersten Musikvideos habe ich mit einem Freund zusammen gedreht. Wir hatten eigentlich überhaupt keine Ahnung von der Sache und die geheime Abmachung, dass wir uns gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben, falls alles daneben geht. Das haben wir ein Jahr lang gemacht, hatten jedoch mit unseren Videos großen Erfolg. In dieser Zeit hat sich mein Selbstverstrauen als Filmemacher aufgebaut. Von da an hat sich alles langsam entwickelt. Die Budgets kletterten von 1000, über 10 000 auf eine Millionen Pfund. Aber das machte mir keine Sorgen. Das waren ja nur ein paar Nullen mehr. Erfolgsdruck verliert schnell seine Macht, wenn man ihn einfach nicht beachtet.
Nun war der Film in den USA und Großbritannien sehr erfolgreich. Genießen Sie es einmal wegen Ihres beruflichen Erfolges und nicht wegen Ihres Privatlebens in den Schlagzeilen zu sein?
Ritchie: Ich schaue schon seit Jahren nicht mehr in Zeitungen. Auf diese Achterbahnfahrt lässt man sich in meiner Situation besser gar nicht erst ein.
Wie fast alle Ihre Filme ist auch Ihr neuer ein Männerfilm.
Ritchie: Ich kann nur von einer Position aus sprechen, in der ich mich auskenne. Und da ich nun einmal im Körper eines Mannes stecke, liegt mir diese Welt am nächsten.
Woher kommt Ihre Vorliebe für das Gangstermilieu?
Ritchie: Ich mag die Welt der Subkulturen. Sie sind reich an Geschichten. Als ich als Jugendlicher von der Schule abging, konnte ich gerade einmal lesen und schreiben. Ich habe keine Ausbildung und erst recht keine Karrierepläne im traditionellen Sinne gemacht. Ich habe über zehn Jahre in so genannten minderwertigen Jobs in Bars oder als Fahrer gearbeitet. Wenn es um akademische Dinge geht, fühle ich mich auch heute noch richtiggehend behindert. Vielleicht kommt daher meine Antipathie gegen alles, was standarisiert oder etabliert ist - und mein Faible für Subkulturen.
Sie haben schon drei Filme im London von heute gedreht und die Stadt nun ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Worin besteht die cineastische Qualität Ihrer Heimatstadt?
Ritchie: In diesem Film sollte London wie eine gleichberechtigte Hauptfigur sein. Ich liebe London und fühle mich in der Stadt sehr verwurzelt. Wenn man London und Paris vergleicht, dann ist Paris wie ein Supermodel. Aber die Stadt hat eben auch die Persönlichkeit eines Supermodels. London hingegen kann manchmal unglaublich schön aussehen, dann aber wieder total schäbig. Aber London hat eine interessantere Persönlichkeit, auch wenn sie nicht so attraktiv wie Paris aussieht.
Kritik zu "Sherlock Holmes" morgen im treffregion
AUF EINEN BLICK
Fünf weitere Filme laufen diese Woche an. Drei davon in der Camera Zwo: "New York, I Love You" ist ein Episodenfilm von diversen Regisseuren. Das gestalterische Spektrum ist breit, die kleinen Geschichten aber geschickt verschachtelt. Um Sehnsucht, Liebe und Verzweiflung geht es in dem Frauenporträt "Die Affäre" von Catherine Corsini mit der großartigen Kristin Scott Thomas. Auch "Ein russischer Sommer" von Michael Hoffman über die letzten Tage von Leo Tolstoi lebt von den guten Darstellern, Christopher Plummer und Helen Mirren. Enttäuschend dagegen die neue Erfolgskomödie aus Frankreich: "Auf der anderen Seite des Bettes" ist eine biedere, konservative Rollentausch-Geschichte (Filmhaus). Originell, temporeich und lustig: der Zeichentrickfilm "Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen". tr