Weiteres Drängen gegen Telefon-Abzocke

Berlin

Berlin. Koalitionspolitiker wollen sich offenbar die massive Kritik von Verbraucherverbänden am Gesetz gegen illegale Werbeanrufe zu Herzen nehmen: Die Experten der Union drängen jetzt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in einem Brief dazu, "schnellstmöglich" eine deutliche Verschärfung vorzunehmen, weil die seit einem Jahr geltenden Regelungen zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung weitgehend wirkungslos geblieben sind. Die Forderung, so heißt es aus Unionskreisen, sei mit den FDP-Verbraucherpolitikern abgestimmt. Laut der für die Verfolgung des Rufnummernmissbrauchs zuständigen Bundesnetzagentur erreichten die Behörde im vergangenen Jahr insgesamt 108 141 schriftliche und telefonische Verbraucherbeschwerden und -anfragen wegen Rufnummernmissbrauch und unverlangten Werbeanrufen. Das neue Gesetz, das Strafen von bis zu 50 000 Euro vorsieht, schreckt also kaum ab. Insgesamt wurden 2009 neun Bußgelderverfahren von insgesamt 500 000 Euro gegen Call-Center und Unternehmen wegen verbotener Anrufe verhängt. "Zahlreiche Ermittlungen laufen aber noch", so ein Sprecher der Bundesnetzagentur. Die Zahlen und die Klagen von Verbraucherschützern haben die Koalitionäre jetzt auf den Plan gerufen: Die Belästigungen durch unerlaubte und in der Folge meist kostenträchtige Anrufe - oft mit unterdrückter Nummer - würden "nach wie vor massiv praktiziert", heißt es in dem unserer Zeitung vorliegenden Schreiben an die Justizministerin. "Das Problem ist immer noch ein Ärgernis für viele Verbraucher. Als Koalition müssen wir deshalb schnellstmöglich überprüfen, inwieweit gesetzlich nachgebessert werden muss", so der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Verbraucherschutz, Peter Bleser. Unlautere Telefonwerbung werde sich für Unternehmen nur dann nicht mehr lohnen, "wenn die Folgeverträge bei fehlender schriftlicher Bestätigung durch den Verbraucher von vornherein unwirksam sind". Den Koalitionspolitikern geht es aber auch noch um weitere Formen der Telefon-Abzocke, die immer noch gang und gäbe sind: So klingelt das Handy und eine Stimme vom Band verspricht einen Traumurlaub. Man müsse lediglich eine Telefonnummer wählen, um den Gewinn zu bestätigen. Wer das tut, tappt in die Kostenfalle. Auch sogenannte "Ping-Anrufe" stellen ein besonderes Risiko dar. Nur kurz klingelt dabei das Handy oder das Telefon in der Hoffnung, dass der Angerufene zurückruft. Die angezeigte Nummer ist dann meist eine teure 0900- oder 0137-Nummer, die die Telefonrechnung in die Höhe treibt. "Die meisten Verbraucher wissen nicht, dass sie das eigentlich nicht bezahlen müssen", betont Bleser. Und wenn doch, würde die Mehrheit der Geprellten den Aufwand scheuen, mit den Unternehmen in Clinch zu gehen. "Deswegen müssen wir solchen Diensten den immer noch vorhandenen, wirtschaftlichen Anreiz entziehen." Nach den Vorstellungen der koalitionären Verbraucherpolitiker sollen die Anbieter deshalb auch verpflichtet werden, bei Rückrufen erst über die Kosten zu informieren. Auch müsse die in der Folge bisher nicht zu verhindernde Inkassotätigkeit des Telefonanbieters unterbunden werden. Meinung

Weshalb warten?

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß So schnell hat sich wohl selten ein Gesetz als weitgehend wirkungslos entpuppt wie das zur Bekämpfung unlauterer Telefonwerbung. Gerade mal ein Jahr sind die Regelungen in Kraft, und längst ist klar, dass dringend nachgebessert werden muss. Richtig so. Die Regeln schrecken die Abzocker offenkundig nicht ab, im Gegenteil, sie laden nach wie vor dazu ein, den Bürgern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Dabei nutzen die unseriösen Dienste die Gutgläubigkeit der Menschen schamlos aus, aber auch die große Undurchschaubarkeit, die auf dem Telefonmarkt herrscht. Dass die meisten Bürger nicht wissen, welche Rechte sie überhaupt haben, um sich gegen die Abzocke zu wehren, kommt hinzu. Weshalb also noch warten? Alle Fakten liegen auf dem Tisch. Die Justizministerin sollte der Aufforderung der Verbraucherpolitiker ihrer Koalition nachkommen - und zwar zügig.

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