Wege zu den Bildwissenschaften der Künste

Saarbrücken. Es gab "grob gesagt, eine große Unwissenheit auf dem Gebiet der Kunstgeschichte", beschrieb der Ende 2010 mit 95 Jahren verstorbene Kunsthistoriker J.A. Schmoll gen. Eisenwerth 2003 einmal die Situation, als er 1951 das Kunstgeschichtliche Institut der Saar-Universität gründete und es bis zu seinem Wechsel an die TU München im Jahr 1966 leitete

Saarbrücken. Es gab "grob gesagt, eine große Unwissenheit auf dem Gebiet der Kunstgeschichte", beschrieb der Ende 2010 mit 95 Jahren verstorbene Kunsthistoriker J.A. Schmoll gen. Eisenwerth 2003 einmal die Situation, als er 1951 das Kunstgeschichtliche Institut der Saar-Universität gründete und es bis zu seinem Wechsel an die TU München im Jahr 1966 leitete. Von Schmolls Ansatz beeinflusst, Wissenschaft, Kunst und Gestaltung (häufig im Bezug zur Region) zu verbinden, gründete sein Schüler Jo Enzweiler als An-Institut der Kunsthochschule das Institut für aktuelle Kunst im Saarland. Die Maßgabe in Schmolls Unterricht war, daran erinnert Hans-Willi Scherf: "Unsere Schüler sollen wissenschaftlich arbeiten lernen und praktisch etwas erleben. Vom Erleben, so meine Einschätzung, haben wir am meisten profitiert, vor allem durch die Exkursionen."Die Arbeit vorm Original und zeitgenössische Kunst kamen auch bei Lorenz Dittmann zusammen, als er 1977 den Saarbrücker Lehrstuhl für Kunstgeschichte übernahm. Mit im Fokus stand die Region, weil "die lebenden Künstler die regionalen sind". Er selbst arbeitete über Boris Kleint oder Paul Schneider: "Man muss die regionale Kunst ernst nehmen, und diejenigen, mit denen ich mich beschäftigt habe, sind ernst zu nehmen." Damit war ein Standard auch für seine Schüler gesetzt, die davon bis heute profitieren, bestätigt die Galeristin Ingeborg Besch. Im Rahmen eines Studienprojektes interviewte sie saarländische Paris-Stipendiaten von Leo Erb bis Francis Berrar und kam zu Kontakten, "für die das Studium keine Zeit lässt". Dort lernt man Bernini und Mondrian kennen, nun waren es auch Thomas Meier-Castel und Horst Hübsch: zwei, die sie heute als Galeristin ausstellt.

Dittmanns Methode des "vergleichenden Sehens, der intensive, auf genaue Betrachtung gründende Umgang mit dem Kunstwerk ist das, was ich heute noch mitnehme, wenn ich praktisch tätig bin", erklärt Thomas Wiercinski, der als freier Kurator in Ausstellungen über Octavie de Lasalle und Nikolaus Lauer die Kunst der Region betreut hat und aktuell gerade in Augsburg die Sammlung des Hotels "Drei Mohren" aufarbeitet. Das geschieht im Auftrag seines ehemaligen Studienkollegen Christof Trepesch, heute Direktor der Sammlungen der Stadt Augsburg. Das vergleichende Sehen ist für den Manager von sieben Museen und 150 Mitarbeitern zum "universellen Handwerkwerkszeug" geworden. Im Alltag, fügt Trepesch hinzu, habe er die Offenheit, mit der an ein Bild herangegangen wurde, "wunderbar benutzen können", weil sie verlangt, unvoreingenommen an eine Sache heranzugehen.

"Bestimmte Ziele haben sich trotz der geänderten medialen Situation nicht verändert", stellt Henry Keazor, heute Professor am Kunsthistorischen Institut, fest. "Was sich geändert hat, sind die Bedingungen", fügt er hinzu. Das Studium ist von vorneherein interdisziplinärer ausgerichtet: "Lag der Fokus früher mehr auf der Kunst als Kunst, so werden jetzt die aktuellen Anforderungen an das Fach von uns aufgegriffen, indem auch andere Gebiete, in denen Bilder eine Rolle spielen", Eingang finden.

Folglich hat sich die Kunstgeschichte 60 Jahre nach Schmoll, der die Fotografie in den Kanon seiner Forschung und Lehre aufnahm, laut Keazor zu den "Bildwissenschaften der Künste" erweitert. Gleichermaßen Pflicht und Kür sind die regionalen Themen, ob in den zu hiesigen Künstlern vorgelegten Abschlussarbeiten, Atelierbesuchen oder einer Ringvorlesung im Weltkulturerbe rund um das Thema Industriekultur.

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