"Was wir erwarten, sind Reformen"

Klein: Mit den Piraten ist eine neue Partei ins Rennen gekommen, die auf Bundesebene - zumindest in den Umfragen - acht Prozent erreichen. Wird da Politik nochmal komplizierter, auch was Koalitionen angeht?Altmaier: Ja, es wird komplizierter und interessanter. Ich warne davor, die Piraten zu unterschätzen

Klein: Mit den Piraten ist eine neue Partei ins Rennen gekommen, die auf Bundesebene - zumindest in den Umfragen - acht Prozent erreichen. Wird da Politik nochmal komplizierter, auch was Koalitionen angeht?Altmaier: Ja, es wird komplizierter und interessanter. Ich warne davor, die Piraten zu unterschätzen. Wir sollten nicht den Fehler machen, der mit den Grünen gemacht worden ist vor 30 Jahren. Im Übrigen zeigt aber auch der Erfolg der Piraten, dass die SPD, die Linken und die Grünen es noch nicht geschafft haben, ein schlüssiges Programm in der Opposition zu entwickeln. (…) Die Diskussion um Oskar Lafontaines Comeback ist doch ein Zeichen für die Ideenlosigkeit, über die mangelnden Alternativen von Seiten der Opposition.

Herbst: Je mehr gespart wird in Griechenland, desto schlimmer scheint die Krise zu werden. Ist das ein Teufelskreis ohne Ausweg?

Altmaier: Ja, aber das verlangt von den Griechen auch niemand. Die haben eine Rezession, da kann man nur begrenzt sparen. Was wir allerdings erwarten, sind Reformen. Die Griechen haben den größten Staatsbesitz in ganz Europa, und wir sagen, ihr müsst privatisieren, damit das wettbewerbsfähig wird. (…) Sie haben eine Verwaltung, die in wesentlichen Bereichen nicht funktioniert. Es reicht nicht aus, ein Gesetz zu machen, das nachher nicht umgesetzt wird. Die Griechen müssen erkennen: Wir helfen ihnen, aber sie müssen sich auch ein Stück weit selbst aus dem Sumpf ziehen, indem sie die notwendigen Reformen auf den Weg bringen.

Klein: Warum ist es so schwierig, auf europäischer Ebene eine gemeinsame Linie festzulegen, wie man mit Griechenland umgeht?

Leinen: Die Regierungen sind einen Schlingerkurs erster Klasse gefahren, auch in Berlin. Deutschland ist das größte Land in Europa, wir müssten die Führungsfunktion haben. Helmut Kohl wäre das nicht passiert, was Angela Merkel jetzt passiert ist: Sie wusste nicht wohin. Allmählich wird es ein bisschen klarer, aber es hat viel Zeit gekostet, viel Vertrauen ist verloren gegangen. (…) Wer A gesagt hat zur Währungsunion, muss auch B sagen zu einer Wirtschafts- und Finanzunion.

Altmaier: Der entscheidende Punkt ist, dass es in Zukunft möglich sein muss, wenn ein Land trotz aller Warnungen einen Haushalt macht, der den Stabilitätskriterien nicht gerecht wird, dass dann der Europäische Gerichtshof diesen Haushalt annullieren kann und das Parlament zwingen kann, einen neuen, verfassungskonformen Haushalt vorzulegen. Wir brauchen auch eine Schuldenbremse in allen nationalen Verfassungen.

Leinen: Ja, aber die Schuldenbremse ist das eine, nur dabei kann's ja nicht bleiben. Wir brauchen auch ein Wachstumsprogramm. (…) Und da meine ich, muss man Geld dort wegnehmen, wo es ist: beim Finanzkapital. Es ist ja unglaublich, dass jeder von uns Steuern zahlt (…), nur diejenigen, die spekulieren, zahlen keine Steuern. Die Finanztransaktionssteuer, die 55 Milliarden Euro einspielen würde, die brauchen wir für Deutschland und Europa, denn wir müssen ja auch mal wieder was investieren.

Altmaier: Also bei der Finanztransaktionssteuer sind wir uns einig, die muss kommen. Notfalls auch in der Euro-Zone allein, wenn die Briten nicht mitmachen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort