Was uns Weckglas-Gummiringe sagen wollen

Saarbrücken. "Wir haben eine Menge aufgetischt für Euch, so was Ähnliches wie Kunst, eine Jahresgabe und 'ne Menge, was man unterschreiben kann", begrüßt Peter Strickmann die Gäste. So viel Flapsigkeit muss einfach sein, wenn der Neue Saarbrücker Kunstverein zum Neujahrsempfang ins B&B Hotel lädt

Saarbrücken. "Wir haben eine Menge aufgetischt für Euch, so was Ähnliches wie Kunst, eine Jahresgabe und 'ne Menge, was man unterschreiben kann", begrüßt Peter Strickmann die Gäste. So viel Flapsigkeit muss einfach sein, wenn der Neue Saarbrücker Kunstverein zum Neujahrsempfang ins B&B Hotel lädt. Damit keiner auf die Idee kommt, der von HBK-Absolventen und Kunsthochschulprofessor Georg Winter im Februar 2010 gegründete Verein wolle die Rituale und Förmlichkeiten des etablierten Kunstbetriebs übernehmen."Kunst jenseits der üblichen Verwertungsstrategien" zu zeigen und Kunstvermittlung nicht immer nur bierernst zu betreiben hatten sich die sieben Vereinsgründer schließlich unter anderem auf die Fahnen geschrieben. Und lösten dies an diesem Abend mit einer nur auf drei Stunden, die Dauer des Empfangs, befristeten Ausstellung erneut ein, die die Endlichkeit beziehungsweise Haltbarkeit von Kunst thematisiert. Sie zeigte unter einer Vitrine fünf überdimensionierte Weckglas-Gummiringe, die bis vor kurzem Bestandteil der 1990 geschaffenen Skulptur "Wurfeisen und Zwille (Entwurf Hafenstraße)" von Olaf Metzel waren. Der an der Münchner Akademie der Bildenden Künste lehrende Künstler sorgte durch seine Arbeiten wie dem "Randale-Denkmal" aus Absperrgittern in Berlin oder der Fußball-WM-Skulptur aus Stadionsitzen in Nürnberg fast immer für heftige Reaktionen.

Da das Gummi sich bereits teilweise verflüssigt, hat die Hamburger Galerie der Gegenwart, der diese Skulptur gehört, die Ringe im Dezember durch neue ersetzt, wovon ein zusammen mit einigen neuen Gummiring-Exemplaren ausgestelltes Konservierungs- und Restaurierungsprotokoll Auskunft gab. Wann hört ein Kunstwerk auf, Kunst zu sein? Wie verändert es sich, auch durch Zufall? Was bedeutet das für seinen Wert? Um solche Fragen, erklärt die stellvertretende Kunstvereinsvorsitzende Katharina Ritter, drehe sich auch die nächste Aktion, bei der man die versehentliche Beschädigung eines Picasso-Bildes, die während einer Auktion im Jahr 2006 vorgefallen sei, nachspielen wolle. Der Kunstverein hatte im Herbst in Form eines Wettbewerbs (Hobby-)Maler aufgerufen, ihm zu diesem Zweck die Kopie eines Picasso-Bildes zu verkaufen.

"Es gibt ganz genaue Definitionen von Kopie, Fälschung und Duplikat, wir haben uns da abgesichert", fügt Vereinssprecher Peter Strickmann hinzu. "Das Jahr 2011 war für uns prall gefüllt", erklärt er zufrieden. 20-minütige Konzerte und Installationen im Saartoto-Parkplatzhäuschen, eine 12-stündige Performance - "alles was ich in Saarbrücken bisher vermisste, hat der Kunstverein gemacht." Auch wenn sich beim Neujahrsempfang zwar Kulturdezernent Erik Schrader und einige HBK-Professoren, doch weder Galeristen oder Museumsleiter blicken ließen, konstatiert Strickmann: "Unser Publikum ist gewachsen." Außerdem gehöre der Neue Saarbrücker Kunstverein jetzt dem Dachverband der bundesweit rund 300 Kunstvereine (ADKV) an - als einziger im Saarland. Man habe sich weiter öffnen und von der Vernetzung profitieren wollen, erläutert Strickmann den Beweggrund, sich für die Aufnahme in den Verband zu bewerben.

Er gewährt den Saarbrückern Rechtsbeistand, bundesweite Werbung, Sonderkonditionen bei VG Bild und GEMA und den Mitgliedern des Saarbrücker Vereins (Jahresbeitrag: 12 Euro) freien Eintritt zu allen anderen Kunstvereinen. Ein bisschen etabliert haben sich die Non-Konformisten also doch. Strickmann widerspricht: "Zu glauben, die anderen Kunstvereine im Verband wären weniger avantgardistisch als wir, wäre ein Trugschluss". sbu

neuersaarbrueckerkunstverein.de

Foto: dietze

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