Warum im Klimawandel Gewaltpotenzial steckt und Flüchtlingsströme die Folge sein werden

Saarbrücken. Der Essener Professor für Sozialpsychologie Harald Welzer untermauert in seinem den Zusammenhang von Klimaveränderungen und Gewaltzunahme. Die Flüchtlingsströme werden so weiter anwachsen

Saarbrücken. Der Essener Professor für Sozialpsychologie Harald Welzer untermauert in seinem den Zusammenhang von Klimaveränderungen und Gewaltzunahme. Die Flüchtlingsströme werden so weiter anwachsen. Der Befund ist eindeutig, der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen nennt Zahlen: 1) 1,1 Milliarden haben keinen sicheren Zugang zu Trinkwasser in ausreichender Menge und Qualität. 2) 850 Millionen Menschen weltweit sind unterernährt. Die Tendenz ist in beiden Fällen steigend. Daher schlägt die WBGU vor, "Entwicklungspolitik sollte vor diesem Hintergrund als präventive Sicherheitspolitik verstanden werden".

Der Klimawandel wird von keinem mehr geleugnet - nur über die Ursachen gibt es einen Dissens: der Anteil der von Menschen, vor allem in westlichen Industrieländern und Schwellenländern verursachten Klimaveränderungen wird teils überhaupt geleugnet, teils mit fragwürdigen Zahlenreihen heruntergerechnet. Welzer interessiert sich in erster Linie für die gesellschaftlichen Folgen des Klimawandels und beschreibt ein Szenario, das schon zu Lebzeiten der heutigen jüngeren Generation zu nicht mehr beherrschbaren Folgen führen wird. Diese sind teilweise längst eingetreten - egal, ob sich das Klima durch die "Vernutzung" fossiler Brennstoffe oder aus anderen Gründen wandelt. Welzer beschreibt die gegenwärtige Lage im Sudan/Darfur als exemplarisch für einen klimabedingten Völkermord und zeichnet ein Zukunftsbild, das von nichtlinearen Prozessen sowohl der Klimaveränderungen als auch der darauf beruhenden Gewaltausbreitung beherrscht wird.

Schon jetzt sind Migrationsbarrieren, die etwa an der Grenze zwischen USA und Mexiko errichtet werden, oder die im Aufbau befindliche europäische Grenzpolizeieinheit "Frontex" Beispiele für die allen Menschenrechtsbeteuerungen Hohn sprechende Teilung der Welt in Länder mit Wasser, Nahrungsmitteln, Bildung und technischem Wohlstand und solche ohne.

Für die durch den Klimawandel verschärfte Gewaltproblematik kommt der durch seine Arbeiten zum Holocaust bekannt gewordene Autor zu der Prognose: "Es besteht aller historischen Erfahrung nach eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Menschen, die den Status von Überflüssigen bekommen und die Wohlstands- und Sicherheitsbedürfnisse von Etablierten zu bedrohen scheinen, in großer Zahl zu Tode kommen werden; sei es durch fehlendes Wasser und mangelnde Ernährung, sei es durch Kriege an der Grenze, sei es durch Bürgerkriege und zwischenstaatliche Konflikte infolge veränderter Umweltbedingungen." Wer da nicht in Depression und Untätigkeit verfallen will, blicke in Kapitel zwei des Buches mit der Überschrift "Was man tun kann und was nicht" oder blättere noch einmal zur Einleitung zurück, die mit den Worten schließt: "Es gibt Bücher, die schreibt man in der Hoffnung, dass man Unrecht hat."

Harald Welzer: Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird. S. Fischer, 335 S., 19,90 €

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