Wahlkampf der Lustlosigkeit

Noch fünf, sechs Wochen Sommerpause, dann starten die Parteien in einen kurzen Bundestagswahlkampf. Aber die Sache scheint schon jetzt so klar zu sein wie der Ausgang der Tour de France kurz vor Paris.

Das Feld hat sich sortiert. Nur externe Schocks könnten es noch durcheinander wirbeln: Stürze, Unwetter, Skandale. Trägerin des Kanzler-Trikots ist Angela Merkel, unangefochtener denn je. Sogar ihre absolute Mehrheit ist denkbar. Und Peer Steinbrück ist von einer Kanzlerschaft so weit entfernt wie noch nie. Er muss immer noch entscheidende Tage damit verschwenden, seine Kampagne intern zu stabilisieren.

Über der demoskopischen Ausgangslage der Parteien liegt außerdem eine Stimmungslage, die der Sommer womöglich noch verstärken wird, wenn er denn nicht ganz verregnet sein sollte. Deutschland geht es insgesamt prächtig, den meisten Menschen gut. Nicht allen, aber mehr als vor vier Jahren, und sicher noch mehr als vor acht Jahren. Mitten in der Krise, die hierzulande allenfalls eine Angstkrise ist, scheint das Land ein Hort der Stabilität zu sein, auch des Könnens und des Willens. Das hat Stolz genährt. Diese Stimmungslage macht die Opposition so chancenlos. Warum ein Wechsel? Was könnte er im Großen - außer in Details wie der Mietenentwicklung oder der Steuergerechtigkeit - verbessern?

Und doch sieht, wer die aktuellen Umfragewerte analysiert, auch einen anderen Trend: Die schwarz-gelbe Koalition hat gegenüber der letzten Wahl trotz allem an Zustimmung verloren, die FDP sogar existenziell. Das ist erstaunlich, verwundert aber angesichts der Zerstrittenheit und Amateurhaftigkeit des bürgerlichen Bündnisses nicht wirklich. Und die Opposition hat zugelegt, sie kann zusammen mehr Stimmen aufbringen als das Regierungslager. Nur kann sie nicht gemeinsam regieren. Die relativ hohen Zahlen für die Kleinst- und Protestparteien zeugen außerdem von der generell schlechten Mobilisierung aller etablierten Parteien.

So steht uns im Spätsommer ein Wahlkampf bevor, der umso lauter tönen wird, je spannungsloser er in Wahrheit ist. Rot-Grün wird ihn mit aufgesetzten Siegesparolen führen, an deren Realitätsgehalt nicht einmal die eigenen Leute glauben, und Schwarz-Gelb mit Wahlversprechungen, deren Realisierung angesichts des mit CDU und FDP Erlebten ebenfalls niemand glaubt. Die Lust an Politik wird mit bezahlten, professionellen Mitteln erzeugt werden und kommt nicht von unten. Und dann werden die, die dennoch zur Wahl gehen, für ein Zufallsergebnis sorgen, das womöglich zu einer Zufallskoalition führt, die aktiv niemand will.

Es gibt wirklich gute Gründe, die kommenden Sommerwochen noch einmal so richtig zu genießen.

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