Wahlgeschenke trotz Schuldenexplosion

Berlin. Eines steht jetzt schon fest: Die 133. Sitzung des Arbeitskreises Steuerschätzung wird ein historisches Treffen. Wenn die Experten von Bund, Ländern, Kommunen, Forschungsinstituten, Bundesbank sowie Statistik-Amt am Donnerstag ihre dreitägigen Berechnungen in Bad Kreuznach beenden, werden sie Einnahmeausfälle in einem bisher beispiellosen Ausmaß verkünden

Berlin. Eines steht jetzt schon fest: Die 133. Sitzung des Arbeitskreises Steuerschätzung wird ein historisches Treffen. Wenn die Experten von Bund, Ländern, Kommunen, Forschungsinstituten, Bundesbank sowie Statistik-Amt am Donnerstag ihre dreitägigen Berechnungen in Bad Kreuznach beenden, werden sie Einnahmeausfälle in einem bisher beispiellosen Ausmaß verkünden. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat schon mal eine Größenordnung vorgegeben: Auf bis zu 350 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als geplant müssten sich Bund, Länder und Kommunen wohl bis 2013 einstellen. Egal, auf welche Horrorzahl die Schätzer am Ende kommen, zusammen mit Milliarden-Mehrausgaben für Sozialkassen und Arbeitsmarkt stehen die Staatsfinanzen vor einer gigantischem Lücke. Die Verschuldung steigt in den kommenden Jahren in atemberaubenden Tempo. Statt aber Vorschläge zu machen, wie die Milliardenkosten der Wirtschafts- und Finanzkrise gestemmt und die maroden Staatsfinanzen saniert werden, überbieten sich die Parteien mit teuren Wahlversprechen. Wider besseres Wissen werden auch Steuergeschenke in Aussicht gestellt. Schon der von der Bundesregierung für 2009 erwartete Rückgang der Wirtschaftsleistung um sechs Prozent könnte allein in diesem Jahr zu Steuerausfällen für den Staat von bis zu 48 Milliarden Euro führen, wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf Regierungskreise berichtete. Hinzu kommen die Ausfälle durch die von der Koalition bereits beschlossenen Steuersenkungen. Die nächste Hiobsbotschaft wird daher wohl eine Woche nach der Steuerschätzung folgen: mit der Vorlage des Bundes-Nachtragsetats. Steinbrück will sich womöglich fast 18 Milliarden Euro neue Kredite bewilligen lassen. Mit dann 55 Milliarden Euro an neuen Schulden würde der Negativrekord von Theo Waigel (CSU) von gut 40 Milliarden aus dem Jahr 1996 bei weitem übertroffen. Bezieht man noch die Schattenetats für das zweite Konjunkturpaket und die Bankenrettung ein, ergibt sich ein Anstieg der Neuverschuldung auf bis zu 80 Milliarden Euro. 2010, wenn die Krise auf dem Arbeitsmarkt voll durchschlägt, dürfte es noch schlimmer kommen. Die Ausgaben für das Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld belasten die Bundesagentur für Arbeit (BA) schon jetzt deutlich. Für das kommende Jahr schließt die BA ein Defizit von 20 Milliarden Euro nicht mehr aus. Da ihr üppiges Finanzpolster bald aufgebraucht sein dürfte, muss der Bund mit einem entsprechend hohen Darlehen einspringen, dessen Rückzahlung aber mehr als ungewiss ist. Die Krise hinterlässt auch im Gesundheitsfonds ihre Spuren. Für 2009 wird ein Defizit von 2,9 Milliarden Euro erwartet. Auch dafür stellt der Bund ein Darlehen bereit, das 2011 zurückgezahlt werden soll. Der nächste Finanzminister - wer immer es sein wird - wird mit dramatischen Defiziten zu kämpfen haben. 2013 dürfte der Bund eine Neuverschuldung vor sich her schieben, die weit über dem Niveau der vergangenen Jahre liegen wird. Experten des Finanzministeriums erwarten angeblich, dass 2013 die Gesamtverschuldung des Staates bei 80 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung liegen wird. Schon heute türmt sich ein Schuldenberg von fast 1600 Milliarden Euro auf. Für das neue Regierungsbündnis nach diesem Herbst sind eigentlich höhere Steuern und Abgaben oder massive Ausgabenkürzungen unvermeidlich.

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