"Vorurteilen verdanke ich meinen Erfolg"

Herr Erpulat, sind sie ein Vorzeigetürke? Erpulat: Ja, ich wurde zu einem gemacht. Das geht schnell. Allerdings hoffe ich, dass ich ein Vorzeigetürke für Entscheidungsträger in der deutschen Theaterlandschaft bin. Ich hoffe, dass sie kapieren: Guck mal, ein Türke kann das auch

 Regisseur Nurkan Erpulat bei den Proben. Foto: Ossinger/dpa

Regisseur Nurkan Erpulat bei den Proben. Foto: Ossinger/dpa

Herr Erpulat, sind sie ein Vorzeigetürke?

Erpulat: Ja, ich wurde zu einem gemacht. Das geht schnell. Allerdings hoffe ich, dass ich ein Vorzeigetürke für Entscheidungsträger in der deutschen Theaterlandschaft bin. Ich hoffe, dass sie kapieren: Guck mal, ein Türke kann das auch.

Was war der Grund für Ihren Durchbruch?

Erpulat: Shakespeare durfte ich nicht machen, es wurde mir an der Hochschule für Schauspielkunst in Berlin nicht zugetraut. Es hieß: Mach' doch mal etwas über die Jungs aus Berlin-Neukölln. Dann habe ich "Verrücktes Blut" und "Clash" gemacht. So gesehen, verdanke ich den Vorurteilen meinen Erfolg.

In der Theaterszene gibt es wenige Schauspieler und Regisseure mit Migrationshintergrund. Woran liegt das?

Erpulat: Sagen Sie es mir.

Identifiziert sich der deutsche Zuschauer nicht mit einer türkischen Julia?

Erpulat: Ja, die Behauptung ist da. Und wie! Ach, die sprechen sowieso schlechtes Deutsch, ach, ihre Welt ist so klein, die können das nicht verstehen. Wir behaupten im Theater ständig, dass wir die Wirklichkeit auf die Bühne bringen, die Gesellschaft spiegeln. Welche Wirklichkeit hat das Theater in den letzten 45 Jahren auf deutschen Bühnen gespiegelt, verdammt noch mal?

Ernüchternd?

Erpulat: In Deutschland hat das Theater das Thema Migranten und Protagonisten aus dieser Ecke ignoriert. 25 Prozent der Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund, aber wahrscheinlich weniger als ein Prozent von ihnen ist in der Theaterszene. Es gibt kaum Schauspieler, Dramaturgen, Intendanten mit Migrationshintergrund - nix. Trotz guter klassischer Theaterausbildung haben nur wenige wie Idil Üner ("Kurz und Schmerzlos") es dann in die Filmbranche geschafft. Die Theaterlandschaft hat sie nicht zugelassen.

Werden Projekte von Türken, die sich dann doch durchgesetzt haben, unverhältnismäßig gefeiert und gehypt?

Erpulat: Ja, das ist so. Das liegt an einer krampfhaften Beziehung. Entweder bist du ein guter oder ein böser Türke. Die Normalität fehlt: Sarrazin hat Gemüsehändler zu Losern erklärt, Alice Schwarzer redet respektlos von "Kopftuchfrauen", türkischstämmige Ehrenmörder in der dritten Generation will man nach Hause schicken. Ich frage mich wohin, nach Berlin-Neukölln? Dagegen bekommt ein Mesut Özil mit seinen 21 Jahren einen Integrations-Bambi. Wofür? Welche Integrationsarbeit hat er geleistet? Ja, er spielt gut Fußball, aber was hat er für die Integration getan?

Was halten Sie vom Bambi-Integrationspreis?

Erpulat (lehnt sich nach vorne, dabei werden seine Augen zu kleinen Schlitzen): Wenn ich irgendwann den Integrationspreis bekomme, oh und ich hoffe, ich werde ihn bekommen, dann werde ich ihn mir in den Hintern schieben.

Ist das Ihr Ernst?

Erpulat (lächelt verschmitzt): "Ja. Ich mache das, ich verspreche es."

Heute hat David Gieselmanns "Herr Kolpert" in der Inszenierung von Nurkan Erpulat im Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere.

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