Vortrag: Wider ein „künstliches Denken von Alt und Neu“

Saarbrücken · „Wie weiterbauen?“ heißt eine dreiteilige Vortragsreihe der Stiftung Baukultur Saar. Am Dienstag war der Münchner Architekt Muck Petzet zu Gast und füllte den zur Leerformel gewordenen Begriff Nachhaltigkeit mit Inhalt.

"Reuse, reduce, recycle": Umnutzen, vermeiden, wiederverwenden. Das sind Standards im Umgang mit Abfall. "Die Leistung war, sie auf die Architektur anzuwenden", sagt der Münchner Architekt Muck Petzet. Er hat als Kommissar des deutschen Pavillons bei der letztjährigen Architektur-Biennale in Venedig dieses Programm dem deutschen Beitrag verordnet. Das bedeutet einen anderen Umgang vor allem mit den seit den 1950er Jahren errichteten Gebäuden. "Wie weiterbauen?" heißt es daher bei der Stiftung Baukultur Saar, die sich besagter Frage in drei Vorträgen widmet.

Muck Petzet, der für die zweite Veranstaltung im VHS-Zentrum am Schloss gebucht war, kennt die Antwort: "Sich mit dem Alten zu identifizieren", es weiter zu verwenden, anstatt es abzureißen und neu zu bauen. Verantwortlich ist dafür ein "künstliches Denken von Alt und Neu", hinter dem sich eine "totale Verwechslung von Effizienz und Effektivität" verbirgt. Denn der Abriss eines den energetischen Standards nicht mehr entsprechenden Gebäudes zugunsten eines Neubaus braucht nicht nur Energie. Er zerstört zugleich sogenannte "graue Energie", die in den Materialien steckt, aus denen ein Gebäude errichtet wurde: "In der Struktur, die man heute als Müll betrachtet, bleibt der Hauptteil der Energie", stellt er fest. Die Pflicht zum Wiederverwenden bestehe zwar, nur gelte sie offenbar nicht für das Bauen, "obwohl wir so auf Effizienz getrimmt sind." Für ihn muss eine "Vermeidungsstrategie" greifen, die den Erhalt dem Abriss vorzieht. Es ist "wichtig, den Bestand so anzunehmen, dass aus dem Alten und Neuen ein gemeinsames Ganzes entsteht."

Wie das aussehen kann, zeigte er anhand von umgebauten Plattenbausiedlungen in Ostdeutschland und dem ehemaligen Verpflegungszentrum des Olympischen Dorfs in München. Das bleibt nicht folgenlos für das Selbstverständnis der gemeinhin aufs Neubauen abonnierten Architekten. Darum hat er auch hier eine Antwort parat. Die Architekten bleiben für das (Weiter-)Bauen verantwortlich, "weil wir das komplexe Verständnis von der Geschichte haben und wissen, wie wir das in der Zukunft weiternutzen können." Das mag für den auch diesmal geschlossenen Zuhörerkreis der Fachleute eine wichtige Botschaft sein. Nur musste sie, und daran hapert es leider bei dieser Veranstaltungsreihe, auch über den Kreis der Eingeweihten hinaus kommen. Um so mehr, als Muck Petzets Ansatz dem zur Leerformel verkommenen Begriff der Nachhaltigkeit Substanz gibt.

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