Vorbild Deutschland

Mokeer“ nennen die Chinesen die deutsche Kanzlerin. „Still“ und „selbstbeherrscht“ stecken in den Zeichen.

Es ist genau das, was Chinas Regierung an den Deutschen schätzt. Peking bewundert die Art, mit der sich die Bundesrepulik in Europa durchsetzt, wie sie ihre Wirtschaftskraft weiter ausbaut. Den Deutschen begegnen die Chinesen geradezu mit Hochachtung, zum siebten Mal ist Angela Merkel mittlerweile dort.

Die Freundschaft zwischen beiden Ländern ist stabil und liefert damit die Grundlage, auch unangenehme Themen anzusprechen. Unterlassen sollte das die Bundeskanzlerin bei ihren Gesprächen nicht. Die Volksrepublik misst der Bundesregierung eine Sonderrolle zu. Sie hat den Eindruck, mit den Deutschen auf einigermaßen gleicher Augenhöhe sprechen zu können. Anbiederung schätzt Peking nicht und nimmt Berlin als Partner wahr, der sich jeglicher Parteinahme und Polarisierung fernhält. Deutschland wird als Land gesehen, das Anregungen für die Modernisierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft geben kann, auch wenn es in erster Linie immer noch ein zuverlässiger Handelspartner ist.

China steckt gerade in einer Umbruchphase. Niedrige Wachstumsraten zwingen das Land dazu, sein Modell - jahrzehntelang auf Export gebaut - umzugestalten, mehr auf Binnenkonsum zu setzen, auf Dienstleistungen. Das dafür entworfene, riesige Urbanisierungsprojekt bringt auch soziale Umwälzungen mit sich, die der Kommunistischen Partei durchaus gefährlich werden könnten. Das zwanghafte Ansiedeln von Bauern in Wolkenkratzern am Stadtrand macht die Menschen noch lange nicht zu komsumfreudigen Städtern, zumal ohne die dazugehörigen Arbeitsplätze das Geld für all die wunderbaren Geräte, Möbel, Autos fehlen dürfte.

Innen- wie außenpolitisch verhärtet sich das Land. Kritische Stimmen werden unter Xi Jinping noch mehr unterdrückt als unter Vorgänger Hu Jintao. Mit einer groß angelegten Antikorruptionskampagne versucht der Präsident, in der eigenen Partei aufzuräumen. Das Vorgehen offenbart, wie willkürlich das Projekt funktioniert. Auch außenpolitisch übernimmt sich das Land oft, pocht auf eine Wahrheit, wie es sie selbst sieht, probt sein Selbstbewusstsein und stößt vor allem seine Nachbarn in Ost- und Südostasien vor den Kopf. Damit piesackt es auch die USA, die es aus ihrer Führungsrolle in der Region zu drängen versucht.

Deutschland könnte mäßigend einwirken, gerade weil es sich das als gern gesehener Freund und Innovationspartner leisten kann. Es muss den Chinesen klarmachen - in stiller und selbstbeherrschter Art -, dass "Innovation" keineswegs nur technisches Knowhow ist, das man kopieren kann, sondern dass es vor allem bedeutet, ein Rechtsstaat zu sein.

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