Vom Knipsen zur Kunstform

Hamburg. Enge Straßenschluchten, in den Himmel ragende Wolkenkratzer, opulent dekorierte Schaufenster, in denen sich der Großstadtverkehr spiegelt. Wohl kaum eine andere Stadt der Welt ist so häufig von Fotografen in Szene gesetzt worden wie New York City. Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg demonstriert jetzt in der Ausstellung "New York Photography 1890-1950

 "Steamfitter" - diese Fotografie eines Arbeiters nahm Lewis Hine (1974-1940) im Jahr 1920 auf. Foto: The Museum of Modern Art, New York

"Steamfitter" - diese Fotografie eines Arbeiters nahm Lewis Hine (1974-1940) im Jahr 1920 auf. Foto: The Museum of Modern Art, New York

Hamburg. Enge Straßenschluchten, in den Himmel ragende Wolkenkratzer, opulent dekorierte Schaufenster, in denen sich der Großstadtverkehr spiegelt. Wohl kaum eine andere Stadt der Welt ist so häufig von Fotografen in Szene gesetzt worden wie New York City. Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg demonstriert jetzt in der Ausstellung "New York Photography 1890-1950. Von Stieglitz bis Man Ray", wie dem einst profanen Knipsermedium die höheren Weihen der Kunst zugestanden wurden. Es ist die erste Ausstellung in der zehnjährigen Geschichte des Bucerius Kunst Forums, die sich ausschließlich der Fotografie widmet. 180 Aufnahmen von mehr als 40 Fotokünstlern sind zu sehen.Direktorin Ortrud Westheider legt das Augenmerk auf zwei Protagonisten der frühen New Yorker Szene. Alfred Stieglitz (1864-1946) und Edward Steichen (1879-1973) gelten als Pioniere, die sich ästhetisch an den weichen Konturen des europäischen Impressionismus' orientierten und sich so um die Anerkennung als Kunstform bemühten. In ihrer legendären Gallery 291 in der Fifth Avenue versammelten die beiden ambitionierte Fotografen aus den USA und junge Avantgardekünstler aus Paris. Die von Stieglitz und Steichen maßgeblich vorangebrachte Gruppe Photo-Secession wollte der noch überwiegend von Fotoklubs und Amateuren beherrschten Fotografie eine neue Richtung geben und künstlerisches Terrain erobern. Die Fotografie trat in New York einen Siegeszug an, sowohl was ihre Verbreitung in Magazinen betraf, als auch was die museale Anerkennung des Mediums anging. Das Museum of Modern Art richtete 1947 als erstes Museum eine eigene Abteilung für Fotografie ein. Steichen entwickelte dort bahnbrechende Ausstellungen.

Das Bucerius Kunst Forum gewährt jetzt einen profunden Einblick in die frühe Fotografiegeschichte der Stadt am Hudson. Neben Aufnahmen aus der Zeit des auf die Kunst zielenden Piktorialismus versammelt die Ausstellung aber auch Beispiele aus der Street Photography. Die Fotografie als soziale Dokumentation kommt ebenso vor wie typische Stadt- und Architekturaufnahmen. Beispielhaft auf den Aufnahmen des deutschstämmigen Andreas Feininger, der Ingenieursleistungen der 40er Jahre, wie in die Höhe schießende Wolkenkratzer und kühne Brückenkonstruktionen, kongenial präzise ins Bild setzte, kann man erkennen, dass die Fotografen damals mit extremen Weitwinkeln, extravaganten Auf- und Untersichten und starken Kontrasten gearbeitet haben. Ebenfalls zu sehen sind die heimlichen Aufnahmen von Fahrgästen, die Walker Evans in der New Yorker U-Bahn gemacht hat. Fotografien von William Klein, Clemens Kalischer oder Helen Levitt zeigen die Straße als Abenteuerspielplatz wenig privilegierter Kinder der Lower East Side.

Man Ray dagegen bewegt sich ins Abstrakte hinein. In seiner kameralosen Fotografie, den so genannten Rayogrammen, experimentiert er mit dem Lichteinfall und der Komposition von Alltagsobjekten auf Fotopapier.

Die Hamburger Ausstellung beschränkt sich auf die Zeit bis 1950. Das stets an der Vermittlung größerer Zusammenhänge interessierte Bucerius Kunst Forum setzt mit dieser Schau den analytischen Blick auf die nordamerikanische Kunstproduktion fort. Man darf gespannt sein, ob das Thema nach diesem gelungenen Auftakt in Zukunft eine größere Rolle im Programm des Hauses spielen wird.

 Edward Steichen (1879-1973) fotografierte Schauspielerin Gloria Swanson 1924. Foto: Scala/ MoMa/ Condé Nast/Swanson Inc.

Edward Steichen (1879-1973) fotografierte Schauspielerin Gloria Swanson 1924. Foto: Scala/ MoMa/ Condé Nast/Swanson Inc.

Bis 2. September. Täglich 11-19, Do 11-21 Uhr. Katalog: Hirmer, 264 S., 29,80 € (Ausstellung), 39,90 € im Buchhandel.

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