Vom Honig unterm Bombenhagel

Saarbrücken. 13 Jahre alt ist Gerd Fuchs 1945. Mit seiner Schwester Gretel ist er ins Nachbardorf unterwegs, um beim Onkel Honig abzuholen. Ihr Zug nach Hause wird von einem US-Bomber angegriffen - der Eimer mit dem kostbaren Honig fällt auf den Boden, der Inhalt ergießt sich im ganzen Abteil

Saarbrücken. 13 Jahre alt ist Gerd Fuchs 1945. Mit seiner Schwester Gretel ist er ins Nachbardorf unterwegs, um beim Onkel Honig abzuholen. Ihr Zug nach Hause wird von einem US-Bomber angegriffen - der Eimer mit dem kostbaren Honig fällt auf den Boden, der Inhalt ergießt sich im ganzen Abteil.Es sind die kleinen Episoden, die die Faszination der autobiografischen Texte von Gerd Fuchs ausmachen. Er schildert nicht die großen Tragödien des Krieges, sondern die Spuren der stetigen Bedrohung.1932 in Nonnweiler geboren, arbeitete Fuchs bis 1968 als Kulturredakteur bei verschiedenen Zeitungen und Magazinen und widmet sich seither der Schriftstellerei. Doch der Wunsch, Schriftsteller zu werden, keimte viel früher in ihm auf, wie das Kapitel "Schlehen" verrät. Beim Anblick eines blühenden Schlehenbuschs an einem kalten Vorfrühlingstag nimmt sein Berufswunsch konkrete Formen an: "Doch plötzlich diese Blütenwolke, dieses weiße Schäumen . . . Ich würde schreiben. Ich würde Bücher schreiben, ein Schöpfer sein. Ich war sechzehn." Mit derselben Ernsthaftigkeit und einem Hauch von Pathos erinnert er sich an einen zweiten Entschluss: Er würde sich eine Badehose kaufen. Fuchs zeigt in wenigen, pointierten Sätzen, wie eng Visionäres und Profanes, Erhabenes und Gewöhnliches beieinander liegen können.Dreh- und Angelpunkt der "Heimwege" ist neben Exkursen zum beruflichen Werden das Thema, das Fuchs' Kindheit und seine Jugendjahre prägte, bis hin zu den Monaten, die er als Student in London verbrachte: der Zweite Weltkrieg und das Bewusstsein, einer Nation anzugehören, die mit der Schuld am Holocaust lebt. Zum einen spürt er die Verachtung, mit der man den Deutschen gegenübertritt, zum anderen begegnen ihm, dem jungen Deutschen, die Briten mit überraschender Gastfreundschaft. Episoden wechseln mit essayistischen Passagen, Persönliches mit Zeitgeschichtlichem, Skurriles folgt Alltäglichem, dabei fesselt das Buch vor allem durch seine Authentizität. bcGerd Fuchs: Heimwege. Edition Nautilus, 256 S., 19,90 €.Dieses und andere Bücher versandkostenfrei bestellen: www.saarbruecker-zeitung.de/empfehlungen

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