Vom Bauernmädchen zur Herzogin

Saarbrücken

 Stiftungs-Interims-Chef Meinrad Maria Grewenig und der Kurator der Schau, Stefan Heinlein (rechts), vor dem "Grünen Kabinett" in der Alten Sammlung. Foto: Maurer

Stiftungs-Interims-Chef Meinrad Maria Grewenig und der Kurator der Schau, Stefan Heinlein (rechts), vor dem "Grünen Kabinett" in der Alten Sammlung. Foto: Maurer

Saarbrücken. Ein Jahr, bevor das Saarbrücker Schloss in Flammen aufging (1793), war Adolph von Knigge vom galanten Leben rund um Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken recht angetan: "Die herrschaftliche Tafel ist vortrefflich; es fehlt an keiner Art von Vergnügen: (…): Jagd aller Gattung, Fischfang, Schauspiele, Concerte, Tanz, Spiel, Mascaraden, Schlittenfahrten, Land-Partien, nützliche Unterhaltung und Lectüre." Katharina von Kest war Teil und wohl auch Motor dieses spätbarocken Hof-Lebens. Eine gebildete Frau. Das edle, elegante Rot, in dem jetzt das gesamte Obergeschoss der Alten Sammlung am Schlossplatz glüht, kündet von dieser prachtverliebten Zeit.

Es ist dies ein wunderbarer Rahmen für eine fabelhafte Ausstellung, die uns eine außerordentliche Frauen-Figur der Regionalgeschichte erstmals ausführlicher vorstellt. Man nennt sie die "Gänselgretel". Das führt auf den falschen Pfad. Denn Katharina, die uns aus den Porträts eher spitzmäusig ansieht, muss andere Qualitäten und Seiten gehabt haben. Bei Fürst Ludwig (1745-1794), der sie als Kindermädchen seiner Mätresse traf, schlug jedenfalls der Blitz ein. Kurz drauf war Amalie von Dorsberg abserviert. Wer will, darf, anhand eines erstmals in Saarbrücken gezeigten Porträts aus dem Mannheimer Reiss-Engelhorn Museum, weiter gehen in der Charakter-Erforschung, einer Frau, die ihre Töchter "kaltherzig" nannten. Darf über Stolz und Selbstbehauptungsdruck nachdenken, auch über die enge, vitale Verbundenheit mit Ludwig. Katharina trägt auf dem Bild nicht nur eine ähnliche "Uniform" wie ihr Gatte, Katharina hat auch Knöpfe angelegt: "Buttons" des bekannten Malers Johann Friedrich Dryander, die Motive von ihrem eigenen Besitz im Ludwigspark zeigen. Schaut her, ich bin wer, sagt sie uns - und wohl auch all den Neidern und Blockieren aus dem Klerus und aus Ludwigs Verwandtschaft. Eine große Liebe schrieb wohl das Drehbuch für den beispiellosen Aufstieg eines aus Fechingen stammenden Bauernmädchens. Dort kamen keine Maler vorbei. In der Alten Sammlung lassen deshalb historische Dorf-Fotografien aus den 20er Jahren Katharinas Herkunft erahnen - eine schöne Idee. Schade, dass man nichts erfährt über ihre Existenz- und Anerkennungs-Kämpfe nach der Revolution. Sie starb als eine merkwürdige Alte in Mannheim.

Auch den Stress mit dem höfischen Lebensumfeld, dessen Protagonisten in Porträts im Fürstenzimmer versammelt sind, muss man sich im Katalog erschließen. Kurator Stefan Heinlein, geht vielleicht allzu dezent mit diesem My-Fair-Lady-Stoff um, der heutzutage die Boulevardblätter rauschen lassen würde.

Das hat seine Logik, denn das stadtgeschichtliche Kapitel der Schau entpuppt sich als der beinahe noch aufregendere Teil. Heinlein entdeckte im Zuge der Vorbereitung, wo Kests Stadtpalais stand - in der Wilhelm-Heinrich-Straße 6 - und er breitet ein üppiges Panorama des fürstlichen Saarbrücken aus. Dessen feine Adresse suchte der verheiratete Ludwig für seine Katharina aus. Die Straße der Schönen, Reichen und Wichtigen, in der etwa auch der berühmte Architekt Stengel (1694-1787) lebte. Katharinas Haus gibt es nicht mehr. Aber ihr "Grünes Kabinett" ist zurückgekehrt, wurde wie ein Groß-Exponat eingebaut - und wirkt zugleich puppenhaft klein. Man kann das Zimmer - es ist das einzige erhaltene in der Sammlung aus dieser Zeit - nicht betreten, es ist nur durch ein Fenster einsehbar. Die Präsentation schickt die Fantasie auf Reisen. In diesem Raum, zwischen goldenen Emblemen, die die ökonomische Basis des Landes symbolisierten - Ackerbau, Schifffahrt, Eisen- und Glasverhüttung, aber auch Malerei und Architektur - soll Katharina vertrauliche Gespräche geführt haben. Vier Monate dauerte die Restauration.

Warum das Grün an den zwölf Holzpaneel-Wänden aber nicht Katharinas Türkis entspricht, wie das "Grüne Kabinett" zum Erinnerungsstück an einen Kaiserbesuch in Saarbrücken wurde und im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum landete - dies alles wäre eine eigene Präsentation wert gewesen. Die Schau ist ein Muss für regionalgeschichtlich Interessierte.

Bis 16. Juni, Alte Sammlung, Eröffnung heute, 19 Uhr in der Schlosskirche.

Biografie

 Reichsgräfin Katharina von Ottweiler 1790, gemalt von J. F. Dryander. Foto: SSK

Reichsgräfin Katharina von Ottweiler 1790, gemalt von J. F. Dryander. Foto: SSK

Als Leibeigene 1757 in Fechingen geboren. Nach Tod des Vaters Umzug nach Saarbrücken, Stelle als Kindermädchen bei einer Mätresse von Fürst Ludwig, der sie zwei Jahre lang in Metz zur Dame und Kammerzofe ausbilden lässt. 1774 Heirat zur "linken Hand" mit dem noch verheirateten Fürsten. 1784 Reichsgräfin von Ottweiler, 1787 offizielle Heirat mit dem verwitweten Fürsten, 1788 Herzogin von Dillingen. 1793 Revolutionstruppen in Saarbrücken, Flucht nach Aschaffenburg. 1794 Tod des Fürsten, 1802 Umzug nach Mannheim. Katharina Kest hatte mit Fürst Ludwig sieben Kinder. ce

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