Vom Alptraum zum Vorzeige-Projekt

St Wendel · Die Wirtschaftsstrukturen in den saarländischen Städten und Gemeinden verändern sich. Neue Arbeitsplätze entstehen, alte fallen weg. In einer losen Reihe wollen wir einige Kommunen und ihren wirtschaftlichen Wandel vorstellen. Heute: die Stadt St. Wendel.

Auf dem ehemaligen Kasernengelände ist unter anderem ein Golfplatz entstanden. Foto: Bonenberger

Auf dem ehemaligen Kasernengelände ist unter anderem ein Golfplatz entstanden. Foto: Bonenberger

Foto: Bonenberger

Schocks können heilsam sein. Als 1999 die französische Garnison aus St. Wendel abzog, "hatte ich etliche schlaflose Nächte". Bürgermeister Klaus Bouillon (CDU ) erinnert sich noch sehr gut an diese Zeit. 1000 Soldaten waren bis dahin auf einem 240 Hektar großen Gelände stationiert. Ein von Panzern arg zerfurchter Truppenübungsplatz drohte zum Biotop zu werden - Nachnutzung verboten. Die Kaufkraft der Soldaten und ihrer Familien würde fehlen. Unter "Friedensdividende" hatte sich Bouillon etwas anderes vorgestellt. Die SPD-geführte Landesregierung in Saarbrücken wollte dem schwarzen Polit-Urgestein aus dem Nord-Saarland nur vier Millionen Mark genehmigen, um das Konversions-Problem zu lösen. Der Regierungswechsel 1999 erleichterte einiges. Die neue Regierung unter Peter Müller (CDU ) machte zehn Millionen Mark locker. Auch der Landkreis hakte sich unter und half.

Heute - 15 Jahre später - kutschiert Bouillon entspannt durch das ehemalige Kasernen- und Truppenübungs-Gelände. "65 neue Firmen mit rund 740 Mitarbeitern haben sich angesiedelt", erzählt er. 90 Millionen Euro wurden am Ende investiert, davon 28 Millionen Euro von der öffentlichen Hand und rund 62 Millionen Euro von privaten Investoren. An Freizeiteinrichtungen sticht der Skaterpark, der Golfplatz und das Wendelinusbad ins Auge.

Vor allem für den Golfplatz auf dem ehemaligen Übungsgelände "musste ich Klinken putzen wie verrückt", erinnert sich Bouillon . Bis er den Investor Hermann Weiland aus dem Kurpfälzischen kennenlernte und die Chemie stimmte. Die Bedenkenträger sind längst verstummt. Heute zählt die 27-Loch-Anlage zu den besten Golfplätzen Deutschlands, Autos aus allen Ecken der Republik parken vor Angel's Hotel. 5000 zusätzliche Übernachtungen werden gezählt. "Selbst den Hubschrauber-Landeplatz für gut Betuchte hat man mir zum Schluss genehmigt."

Bouillon kann anstrengend sein, wenn er etwas erreichen will. Dafür kann der 66-Jährige, der seit mehr als drei Jahrzehnten die Kreisstadt mit ihren 26 200 Einwohnern regiert, eine blitzblanke Wirtschafts-Bilanz vorweisen, auch wenn er sich das klassische kommunalpolitische Klagelied nicht verkneifen kann. "Mehr Gewerbesteuer hätte ich schon gerne", sagt auch er. Mit einer Arbeitslosenquote von vier Prozent im Kreis St. Wendel herrscht in der Region quasi Vollbeschäftigung. Die Zahl der Arbeitsplätze in der Stadt hat sich Bouillon zufolge während der vergangenen 30 Jahre auf 16 000 verdoppelt, die Anzahl der Betriebe stieg von 400 auf 1210. Die 200 000 Quadratmeter Fläche in Gewerbe- und Industriegebieten sind ausgebucht. Lediglich im Stadtteil Bliesen können sich interessierte Unternehmer noch auf einem Areal von knapp 60 000 Quadratmetern ansiedeln.

Auch am Branchenmix hat Bouillon nichts auszusetzen. Mit dem Dialysegeräte-Hersteller Fresenius Medical Care (mehr als 1800 Mitarbeiter) und der Handelsgruppe Globus (knapp 1100 Beschäftigte) hat er zwei Platzhirsche in seinem Gehege - "ansonsten Mittelstand, breit aufgestellt".

Auch wenn Globus eine Menge Kaufkraft abgreift, ist die Zahl der Leerstände in der Innenstadt überschaubar. "Wenn es hakt, ist die Lage nicht berauschend oder die Forderungen der Vermieter sind zu hoch", sagt Bouillon . Die Stadt habe zusammen mit privaten Investoren ihr Möglichstes getan, um die Attraktivität zu steigern. In den vergangenen 30 Jahren seien rund 650 Millionen Euro an öffentlichen und privaten Geldern in die Sanierung der Kernstadt geflossen. "Die Zahl der Einwohner steigt", bilanziert der Bürgermeister. 200 neue Wohnungen würden gebaut - "bei Preisen bis zu 3000 Euro pro Quadratmeter".

Und es sind die vielen Veranstaltungen, die er mit seinen Leuten ausrichtet und die St. Wendel zum Besucher-Magnet macht - angefangen vom Marathon über die Mountainbike-Europameisterschaft bis hin zum Weihnachts- und Mittelaltermarkt. Im Mai startet mit der Viking Heroes Challenge erstmals das "Hindernisrennen für Helden des Alltags". Der kräftezehrende Parcours für große Jungs "verlangt von den Teilnehmern viel Kraft, Ausdauer, Durchhaltevermögen aber auch starken Teamgeist und Zusammenarbeit", heißt es im Werbetext. Irgendwie klingt das wie eine Arbeitsbeschreibung für Bouillon und seine Mannschaft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort