Ernährung Viele Deutsche fürchten abendliche Heißhunger-Attacken

Frankfurt · Frauen essen in der Regel gesünder als Männer, doch 85 Prozent aller Bürger sind mit ihrem Ernährungsverhalten nicht wirklich zufrieden.

(np) Das Ernährungsverhalten der Menschen in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn Jahren stärker verändert, als es auf den ersten Blick zu vermuten ist. Vor allem zwischen den sozialen Schichten geht die Schere beim Ernährungsstil zunehmend auseinander. Gleichzeitig droht die Rolle des Essens, Gemeinschaft zu stiften, verloren zu gehen. Auch zeigt sich, dass Frauen anders essen als Männer. Das besagt die Ernährungsstudie „So is(s)t Deutschland 2019“, die der Nestlé-Konzern beim Meinungsforschungsinstitut Allensbach in Auftrag gegeben hat.

Individuelle Essgewohnheiten „Ernährung wird immer mehr an die individuellen Bedürfnisse angepasst. Dadurch lösen sich feste Gewohnheiten auf und die Ansprüche an die eigene Ernährung unterscheiden sich immer mehr“, erklärt Professor Renate Köcher, Geschäftsführerin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach. Sie nennt mehrere Ursachen: Durch die steigende Erwerbsquote nehme der Zeitmangel zu, die Tagesabläufe seien weniger strukturiert und die Gesellschaft werde generell spontaner und individueller.

Keine Lust auf warme Mahlzeit Eine warme Mahlzeit am Tag ist für immer weniger Menschen in Deutschland die Regel. Nur noch 45 Prozent der Befragten (2009: 55 Prozent) essen jeden Tag warm. Zudem nehmen nur noch 39 Prozent die Hauptmahlzeit mittags ein (2009: 47 Prozent). Für 38 ist das Abendessen zur Hauptmahlzeit geworden.

Zu Mittag wird immer häufiger außer Haus gegessen. Vor zehn Jahren aßen noch 54 Prozent mittags zu Hause, aktuell sind es noch 42 Prozent. Nur noch 52 Prozent der Bevölkerung kochen heute jeden Tag. Genauso viele essen zu festgelegten Essenszeiten, vor zehn Jahren waren das noch 62 Prozent. Auch nehmen sich viele Bürger immer weniger Zeit zum Essen.

34 Prozent essen, wenn sie gerade Zeit oder Hunger haben. In der Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen sind es sogar 51 Prozent, die keine feste Essenszeiten mehr haben. Die jungen Leute essen zudem meist, was ihnen schmeckt, und nicht, was gesund ist.

Familien wollen gemeinsam essen Für 77 Prozent der Bevölkerung haben gemeinsame Mahlzeiten in der Familie eine hohe Bedeutung. Das gilt noch mehr für Familien mit Kindern (95 Prozent). Gemeinsame Mahlzeiten halten 87 Prozent der Befragten für wichtig, um miteinander reden zu können. Dennoch isst nur noch jeder Zweite sein Mittagessen in Gemeinschaft mit anderen (2009: 55 Prozent). Nur noch 39 Prozent der Bürger frühstücken gemeinsam mit anderen.

Mehrheit wünscht gute Ernährung Für 65 Prozent der Gesamtbevölkerung spielt eine gute Ernährung eine große oder sogar sehr große Rolle. Es gibt jedoch Unterschiede in den sozialen Schichten. In höheren sozialen Schichten legen 81 Prozent großen Wert auf gute Ernährung, in mittleren Schichten 65 Prozent und in schwächeren sozialen Schichten 53 Prozent. Ähnlich sieht es in anderen Bereichen der Ernährung aus: ob regionale und saisonale Produkte, Verzicht auf künstliche Zusatzstoffe, artgerechte Tierhaltung, Bio- und Ökoprodukte oder umweltfreundliche Verpackungen und fairer Handel.

52 Prozent der Bürger sind der Meinung, dass „zu viel Wirbel“ um das Thema Ernährung gemacht wird (2009: 48 Prozent). In den gesellschaftlich schwächeren Schichten kritisieren 66 Prozent (2009: 54 Prozent), das Thema Ernährung werde zu hoch gehängt.

Frauen essen gesünder Für 72 Prozent der Frauen spielt gute Ernährung eine große Rolle, jedoch nur für 58 Prozent der Männer. Frauen achten deutlich mehr auf eine ausgewogene Ernährung. Für 48 Prozent der Frauen gehören Obst und Gemüse zur Ernährung einfach dazu. Nur 27 Prozent der Männer sehen das genauso.

91 Prozent der Frauen und 82 Prozent der Männer verfolgen mit ihrer Ernährung ein Ziel. Alle Befragten zusammengenommen, sind das vor allem: Fitness (60 Prozent), Gesundheit (57 Prozent), persönliches Wohlbefinden (51 Prozent), Selbstoptimierung (35 Prozent) und Aussehen (24 Prozent).

Selbstkritisches Essverhalten 85 Prozent der Bürger sind mit ihrem Ernährungsverhalten nicht ganz zufrieden. Auch wenn sich Angebot und Auswahl in den letzten zehn Jahren verbessert haben, sind noch genauso viele Menschen mit ihrer Ernährung unzufrieden wie 2008.

Im Schnitt nehmen die Deutschen an sich vier Ernährungsdefizite wahr: allen voran abendliche Heißhunger-Attacken (33 Prozent), zu wenig Obst und Gemüse (31 Prozent), zu fettiges Essen (28 Prozent) und zu wenig Zeit zum Essen (25 Prozent). Die Verantwortung dafür sehen die Menschen vorrangig bei sich selbst.

Jeder Zweite sagt, er wolle auf manche Dinge einfach nicht verzichten, auch wenn er wisse, dass es ihm nicht guttut. Nur fünf Prozent bewerten das gesamte heutige Ernährungsangebot als zu ungesund.

Restaurantbesuche beliebt Immer mehr Menschen essen auswärts. 50 Prozent erklären, das bedeute weniger Aufwand, weil man sich um nichts kümmern müsse. Von den Frauen nennen sogar 59 Prozent dieses Argument. Ebenfalls 50 Prozent sagen, Restaurantbesuche seien eine gute Möglichkeit, sich mit anderen zu treffen.

Kein Appetit auf Insekten Zwar wird derzeit viel über Klimaschutz gesprochen, doch nur fünf Prozent der Menschen in Deutschland würden Insekten als Fleischersatz akzeptieren. 43 Prozent wünschen sich intelligente Verpackungen, die über den Zustand und die Frische des Lebensmittels Auskunft geben.

Nahrungsmittel, die die geistige Leistungsfähigkeit steigern sollen oder die auf die individuelle genetische Struktur abgestimmt sind, erscheinen nur für 15 Prozent beziehungsweise neun Prozent der Befragten attraktiv.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort