Viel Förderung, wenig Wachstum

Magdeburg. Der Niedergang der Solarbranche trifft den Osten Deutschlands hart. 1200 Jobs sollen bei First Solar in Frankfurt (Oder) wegfallen. Der US-Hersteller schließt dort sein Werk. Die Agentur für Arbeit rechnet mit bis zu 2000 Arbeitslosen in der Region, weil auch Zulieferer und Dienstleister von der Werkschließung betroffen seien

Magdeburg. Der Niedergang der Solarbranche trifft den Osten Deutschlands hart. 1200 Jobs sollen bei First Solar in Frankfurt (Oder) wegfallen. Der US-Hersteller schließt dort sein Werk. Die Agentur für Arbeit rechnet mit bis zu 2000 Arbeitslosen in der Region, weil auch Zulieferer und Dienstleister von der Werkschließung betroffen seien. 1300 Stellen stehen beim einstigen Markführer Q-Cells aus Bitterfeld-Wolfen nach der Insolvenz auf der Kippe. Die jahrelange Förderung durch den Staat hat die deutschen Solar-Branche nicht vor den Härten des Marktes und Existenznöten bewahren können. Im Dreieck Halle, Dresden und Erfurt, dem "Solar Valley", hatte die Solarindustrie binnen weniger Jahre tausende Arbeitsplätze geschaffen und viele Hoffnungen geweckt. Für den Osten steht jetzt mehr als nur der Niedergang einer Branche auf dem Spiel.Zuletzt war der "Aufholprozess Ost" ins Stocken geraten. Seit dem Ende der globalen Wirtschaftskrise wächst die Wirtschaft im Osten viel langsamer als im Westen. 2010 lag das Plus im Westen bei 3,9 Prozent, im Osten aber im Schnitt nur bei 2,2 Prozent, heißt es in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder. Vergangenes Jahr gab es ein ähnliches Bild: 3,1 Plus im Westen, nur 2,6 Prozent im Osten.

Experten verweisen aber auch auf den weitaus geringeren Wirtschaftseinbruch im Osten während der Bankenkrise. Der Weg aus dem Tal verlaufe deshalb im Westen auch rasanter. Die Schere zwischen Ost und West könnte sich in den nächsten Jahren auch wieder öffnen. "Das wäre das Schlimmste, was uns jetzt passieren könnte", sagt ein hoher Beamter.

Die ostdeutsche Wirtschaft ist besonders kleinteilig aufgestellt, stellt eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle fest. Es fordert eine Gleichbehandlung aller strukturschwachen Regionen in Deutschland. Würde das umgesetzt, ginge es zu Lasten des Ostens. Bekannte Namen hat Ostdeutschland außerhalb der Solarbranche kaum. Viele traditionsreiche Betriebe waren schon nach der Wende geschrumpft oder abgewickelt worden.

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sagte im Interview der "Berliner Zeitung", mit dem Niedergang der Solarindustrie werde jetzt die "zweite Deindustrialisierung Ostdeutschlands" eingeleitet. Der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Christoph Bergner (CDU), widersprach. "Natürlich ist das ein bedauerlicher Eingriff in einer Branche, mit der sich viele Hoffnungen verbunden haben", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". Aber es gebe auch wettbewerbsfähige Unternehmen im Osten.

Bald wird der Osten auf eigenen Beinen stehen müssen. Der Solidarpakt II mit einem Gesamtumfang von 157 Milliarden Euro läuft 2019 aus, und auch die EU-Förderung wird sich künftig stärker um die neuen Regionen im Osten Europas kümmern müssen. Ein großes Problem neben der sinkenden Förderung ist der demografische Wandel. Aus vielen Regionen im Osten ziehen die Menschen weg, um zum Beispiel im Westen einen Job zu finden. Statt derzeit hohe Arbeitslosigkeit könnte bald ein immenser Fachkräftemangel dem Osten zusetzen.

Dabei hat Deutschland in den vergangenen Jahren viel investiert, um ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum im Osten zu ermöglichen. Die Infrastruktur wurde so massiv ausgebaut, dass Oberbürgermeister westdeutscher Städte neidisch werden, wenn sie die modernen Autobahnen im Osten sehen.

Auch eine Reihe von Firmen wurde angelockt. Opel produziert etwa in Eisenach, Volkswagen in Dresden. Doch oftmals wurden nur verlängerte Werkbänke errichtet. Hoch bezahlte Jobs in den Konzernzentralen und Forschungsabteilungen blieben im Westen.

Auch hat sich die Wirtschaftsförderung im Osten in den vergangenen Jahren geändert. Längst haben die Wirtschaftsministerien in den neuen Ländern nicht mehr die reichen Mittel, um große Industrien auf der grünen Wiese anzulocken oder künstlich am Leben zu halten. Ersatz zu finden für hochkarätige Namen aus der Solarbranche dürfte damit schwierig werden.

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