Versorger wollen mehr Freiheit

Neunkirchen · Wenn die „intelligenten Stromnetze“ kommen, die es ermöglichen, die Haustechnik über das Internet zu steuern, wollen die regionalen Versorger mit im Boot sein und nicht das Feld Google oder Facebook überlassen.

Viele der rund 800 deutschen Stadt- und Gemeindewerke könnten im Zuge der Energiewende unter die Räder kommen, weil die Ausgaben spürbar steigen, die Einnahmen jedoch sinken. Davon bleiben auch die saarländischen Unternehmen nicht verschont, wenn ihnen weiter die Möglichkeit verwehrt wird, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen. Diese Auffassung vertreten Werner Spaniol und Wolfgang Brück in einem Gespräch mit unserer Zeitung. Die beiden Energie-Manager sind Vorsitzender und Geschäftsführer der Landesgruppe Saarland des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU).

"Nicht nur die großen Energiekonzerne wie RWE und Eon befinden sich in schwerem Fahrwasser, sondern auch viele kommunale Versorger - besonders wenn sie eine eigene Energie-Erzeugung haben", sagen sie. Oft seien dies Blockheizkraftwerke (BHKW), die Gas verfeuern, um Strom und Fernwärme zu produzieren. Deren Förderung soll ab 2016 zwar erhöht werden. Doch die Gaskraftwerke kämen wegen des Einspeisevorrangs für Strom aus Wind oder Sonne immer seltener zum Einsatz. Der aktuell niedrige Börsenpreis für Strom "sorgt für weitere Löcher in der Bilanz".

Aber auch die Stadt- und Gemeindewerke, die kommunale Strom-Verteilernetze betreiben, "haben immer mehr Probleme", beklagen Spaniol und Brück. In die Netze müsse "sehr viel Geld investiert werden, um sie auf die Belange der Energiewende auszurichten". Wegen der dezentralen Strom-Erzeugung durch Windräder oder Photovoltaik-Anlagen "können die Netze nicht mehr länger wie Einbahnstraßen geregelt werden, in denen der Strom vom Erzeuger zu Verbraucher fließt". Vielmehr müssten sie so ausgebaut, erweitert und verstärkt werden, "damit sich der Strom in beide Richtungen bewegen kann". Außerdem sei dies mit einer aufwendigen IT-Aufrüstung verbunden, um die Netze "intelligent zu machen". Für diese Investitionen "reichen die von der Bundesnetzagentur gewährten Netzentgelte bei weitem nicht aus", sagen die Chefs des VKU Saar.

Problematisch für die Netze sei zudem, dass immer mehr Firmen und Haushalte ihren Strom selbst erzeugen - beispielsweise mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Auch wenn die überschüssige Energie gespeichert werden kann und damit eine gewisse Autarkie sichergestellt wird, seien auch diese Stromverbraucher auf ein stabiles öffentliches Netz angewiesen, das rund um die Uhr vorgehalten werden muss. "Wenn sich immer mehr Haushalte oder Unternehmen immer öfter aus dem Netz ausklinken oder es gar zur Einspeisung ihres selbst erzeugten Stroms nutzen, müssen die Netzentgelte immer stärker auf die Verbraucher umgelegt werden, die sich keine Eigenerzeugung leisten können". Spaniol und Brück fordern daher "mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung der Netzkosten".

Mehr unternehmerische Beinfreiheit für die Stadt- und Gemeindewerke wollen sie unter anderem bei der Umsetzung des Digitalisierungsgesetzes. Dieses Gesetz soll künftig regeln, wie der Datenschutz sichergestellt werden kann, wenn intelligente Stromzähler und Messsysteme in Betriebe, Häuser und Wohnungen eingebaut werden. Mit ihnen können Verbraucher beispielsweise Haushaltsgeräte wie Kühlschrank, Kaffee- oder Waschmaschine steuern und überwachen, auch wenn sie nicht zu Hause sind.

"Die Stadt- und Gemeindewerke wollen die Service-Dienstleistungen, die damit verbunden sind, für sich nutzen, um die Wertschöpfung in der Region zu halten", fordern die VKU-Chefs. Um dies zu ermöglichen, müsste das Kommunalselbstverwaltungsgesetz (KSVG) des Landes geändert werden. Sollte der Gesetzgeber den heimischen Unternehmen den Einbau und den Betrieb der intelligenten Zähler nicht erlauben, "werden internationale IT-Konzerne wie Google oder Facebook dieses Geschäft machen." Dann würden die Daten der Verbraucher von "irgendwelchen Rechenzentren aus verwaltet". Das heimische Handwerk "kommt dann beim Einbau der neuen Technik mit Sicherheit nicht zum Zug".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort