Verschwundener Admiral als Bürde für die Nato

Ankara/Washington · Schon ist sogar von einer Krise der Nato die Rede: Der Asylantrag eines türkischen Admirals in den USA könnte das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Ankara und Washington weiter belasten - und auch das transatlantische Bündnis in Mitleidenschaft ziehen. Der Offizier Mustafa Zeki Ugurlu war zuletzt auf dem US-Marinestützpunkt in Norfolk stationiert, von wo er verschwand. Er wird verdächtigt, der Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen anzugehören, und wird deshalb in der Türkei mit Haftbefehl gesucht. Seine Bitte um Asyl in den Vereinigten Staaten verschärft nun eine Auseinandersetzung, in der es nach türkischer Ansicht um Loyalität gegenüber einem Verbündeten geht, nach amerikanischer Sichtweise dagegen um die Wahrung rechtsstaatliche Prinzipien.

Erst am Dienstag hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan mit seinem Russland-Besuch signalisiert, dass die Türkei auch außerhalb von EU und Nato nach Partnern sucht. Die regierungsnahe Presse in Ankara diskutiert denn auch die Frage nach einer Neu orientierung des Landes in Richtung Osten. Ohnehin verstärkt sich seit dem Putschversuch in der Türkei eine anti-westliche Stimmung. Erdogan selbst beschuldigt den Westen, Putschisten und Terroristen zu schützen. Von den USA fordert er, sich zwischen Gülen und der Türkei zu entscheiden: Werde der Prediger nicht schleunigst an Ankara ausgeliefert, verliere Washington einen wichtigen Verbündeten, droht der türkische Staatschef.

Diese Art von Erpressung kommt in Amerika überhaupt nicht gut an. Einige außenpolitische Experten raten der Regierung bereits, sich nach anderen Verbündeten in der Region umzusehen, auch wenn die geostrategische Lage der Türkei dem Land große Bedeutung verleiht. Der Asylantrag des mutmaßlichen Gülen-Anhängers Ugurlu wird den Streit weiter anheizen.

Auch von Deutschland fordert Ankara die Auslieferung von Gülen-Anhängern und geht davon aus, dass der bloße Vorwurf der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung als Grund für Festnahme und Überstellung ausreicht. Das sehen die Deutschen - ebenso wie die Amerikaner - anders. Doch Erdogan will das Prinzip, das er seit dem Putsch im eigenen Land mit Massenverhaftungen durchsetzt, nun auch auf internationaler Ebene etablieren: Wer nicht für mich ist, der ist ein Terrorhelfer. Sein Besuch bei Wladimir Putin und der heute anstehende Besuch des iranischen Außenministers Dschawad Zarif in Ankara setzen deutliche Zeichen. Weder Moskau noch Teheran werden Erdogan zur Einhaltung der Menschenrechte aufrufen.

Diese Entwicklung ist gefährlich für die Nato . Was nützt uns die Allianz, wenn wir uns bei der Verfolgung von Staatsfeinden nicht auf sie verlassen können, fragt Erdogan. In Europa und Amerika dagegen grübeln viele über der Frage, was aus dem Bündnis als Wertegemeinschaft des Westens werden soll, wenn das zunehmend autoritäre Regime eines Mitglieds rechtsstaatliche Prinzipien missachtet.

Das Fatale an der aktuellen Entwicklung ist, dass Erdogans Ultimaten an den Westen einen Kompromiss immer schwieriger werden lassen. Man kann zwar noch darauf hoffen, dass sich in der Türkei am Ende besonnene Kräfte durchsetzen werden, die genau wissen, wie sehr ihr Land die Verankerung im Westen braucht. Sie könnten deshalb einen endgültigen Bruch verhindern. Doch verlassen sollte man sich darauf besser nicht.

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