Verbraucher sollen mehr Klagerechte bekommen

Brüssel · EU-Bürger sollen leichter Schadenersatz gegenüber Unternehmen durchsetzen können. Die EU-Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Klage-Möglichkeiten für Verbraucher auszuweiten.

Als die EU-Kommission vor sechs Jahren ein Kartell führender Hersteller von Aufzügen und Rolltreppen aufdeckte, vermied man zwar das Wort "Sammelklage". Aber der Hinweis an die Geschädigten, sie könnten vor den nationalen Zivilgerichten ihre Ansprüche geltend machen, war deutlich. Zu Sammelklagen, bei denen geschädigte Kunden sich verbünden, kam es aber nicht, wird es wohl auch nicht kommen. Denn entgegen allen Befürchtungen hat die Kommission gestern zwar einen Vorschlag zu kollektiven Rechtsschutzmöglichkeiten präsentiert, diesen aber deutlich von Sammelklagen nach amerikanischem Vorbild abgegrenzt. "Wir wollen die Gefahr mutwilliger Prozessiererei und Klagemissbrauch vermeiden", sagte Justizkommissarin Viviane Reding.

Die Zurückhaltung zieht sich durch das ganze Papier. Denn eigentlich handelt es sich nicht um einen europäischen Regelungsvorschlag, sondern um eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten, entsprechende Klage-Wege für Verbraucher zu schaffen. Man wolle auf den vorhandenen nationalen Gesetzen "aufbauen", hieß es dazu in Brüssel. Schweden, Portugal und Italien haben solche Sammelklagen längst erlaubt, die Bundesregierung steht dem Instrument sehr distanziert gegenüber. "Wir lehnen diese national und international ab", heißt es in Berlin.

Den Grund dafür beschreibt der Chefjustiziar des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Stephan Wernicke, so: "Es gibt ein signifikantes Risiko." Soll heißen: Wenn ein Mitgliedstaat sein Rechtssystem für derartige Sammelklagen öffnen würde, hätte dies unmittelbare Auswirkungen auch auf andere Staaten. Deutsche Geschädigte könnten vor ein Gericht in Frankreich, Lettland oder Griechenland ziehen, um nach US-Vorbild immensen Schadenersatz gegen ein hiesiges Unternehmen durchzusetzen.

Die Kommission will dem entgegenwirken. Zulässig sollen nur Unterlassungsklagen (Unterbinden rechtswidriger Verhaltensweisen) sowie Schadenersatzklagen (Ersatz für erlittenen Schaden) sein. Anders als in den USA müssen Betroffene der Klage auch ausdrücklich beitreten. Erfolgsabhängige Honorare für Rechtsanwälte sollen nicht zugelassen werden. Als Kläger will Brüssel nur gemeinnützige Organisationen wie zum Beispiel Verbraucherschutzverbände zulassen. Der in den USA übliche Strafschadenersatz soll nicht möglich sein.

Die EU fordert, dass "der vollständige Schadenersatz bei den Einzelnen ankommt". Außerdem sollten die Mitgliedstaaten Wege ebnen, um Streitfälle außergerichtlich beizulegen. Ob die Vorschläge der Kommission in die Wirklichkeit umgesetzt werden, ist fraglich. Bisher gibt es nur aus Großbritannien Signale, entsprechende kollektive Klagemöglichkeiten aufzugreifen.

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