Vater, Sohn und die Folgen

Duisburg · Das Duisburger Lehmbruck-Museum, eines der weltweit bedeutendsten Skulpturenmuseen der Moderne, feiert seit dem Wochenende sein 50. Jubiläum. Pünktlich zum Geburtstag wurde auch der frisch sanierte Lehmbruck-Trakt eröffnet.

 Der Lehmbruck-Trakt im Eröffnungsjahr 1964. Jetzt wurde er frisch saniert wiedereröffnet. Foto: Kirtz

Der Lehmbruck-Trakt im Eröffnungsjahr 1964. Jetzt wurde er frisch saniert wiedereröffnet. Foto: Kirtz

Foto: Kirtz

"Die Kunst ist der Wein, die Architektur das Glas." Mit diesem Vergleich umschrieb der Architekt Manfred Lehmbruck das von ihm entworfene Museum in Duisburg , das den Namen seines Vaters trägt, des Künstlers Wilhelm Lehmbruck. Man darf hinzufügen, dass dieses Glas selbst ein besonders kunstvoll gearbeitetes ist. 1964, als Transparenz in Deutschland noch ein Fremdwort war, schuf Manfred Lehmbruck (noch vor der Eröffnung der Berliner Nationalgalerie von Mies van der Rohe) ein Haus für die Kunst, das radikal brach mit der Gestalt herkömmlicher Museen.

Im restaurierten, nun wiedereröffneten Trakt für die Skulpturen des 1881 in Duisburg geborenen Wilhelm Lehmbruck überzeugt das Zusammenspiel von Glas und Beton mit Ausblicken in den Park. Geschwungene Wände scheinen sich schützend um die Skulpturen zu legen. In der großen Ausstellungshalle, in der die Sammlung präsentiert wird und die auf raumteilende Elemente fast völlig verzichtet, wird die Kunst hinter riesigen Fensterflächen an drei Fassaden nicht versteckt: Sie öffnet sich vielmehr zum Bürger hin - wie in einem Schaufenster.

Nun wird dieses an Kunst so reiche Haus in der finanzarmen Ruhrgebietsstadt 50 Jahre alt. Es war das erste deutsche Museum, das sich moderner Skulptur verschrieb. Es trägt mittlerweile den Titel "Zentrum für Internationale Plastik", seine rund 1000 Skulpturen bieten einen Überblick über die Plastik des 20. Jahrhunderts der keinen Vergleich scheuen muss. Mit der jetzt aufgenommenen Reihe "Sculpture 21st" will das Museum verstärkt aktuelle Tendenzen zur Diskussion stellen. Die Direktorin Söke Dinkla hat zum Auftakt Tino Sehgal eingeladen, dessen Arbeit, oder genauer seine Choreographie, "Kiss" von 2002 den Skulpturbegriff ins Immaterielle dehnt. "Ich möchte, dass man bei der Betrachtung von Kunstwerken in einem Museum den konventionellen Rahmen verlässt", erklärt Söke Dinkla ihr Konzept. Arbeiten von Gregor Schneider, Monika Sosnowska und Erwin Wurm werden in den nächsten Wochen folgen. Auch die Präsentation der Sammlung geht neue Wege. Weniger statt mehr scheint hier die Devise gewesen zu sein. Konzentrierte Werkgruppen wie im so genannten Musikraum, wo Rudolfs Bellings abstrakte Körper ("Dreiklang", 1919) auf ein Mobile von Alexander Calder (um 1940) treffen, zeigen die Qualität der Sammlung. Lichte Kabinette aus weißen Vorhängen sorgen für intime Auseinandersetzungen mit Arbeiten von Brancusi und Giacometti oder mit Porträts von Rodin und Henry Moore . Surreale Skulptur ist mit Arp und Max Ernst vertreten, die architektonische mit Georges Vantongerloo und Victor Servranckx.

Für die 60er-Jahre stehen die ZERO-Künstler Luther, Piene und Uecker. Neuere Positionen wie Lynn Hershmans interaktive Installation, die das Voyeurhafte des Betrachtens thematisiert, oder Mischa Kuballs Dokumentation über Migranten im Ruhrgebiet haben die Entgrenzung des Skulpturbegriffs weiter vorangetrieben. Aus der Halle fällt der Blick in den Innenhof und den Park, wo Arbeiten von Kenneth Armitage, Alf Lechner und Richard Serra , von Dani Karavan und Meret Oppenheim , von Tony Cragg und Henry Moore zu finden sind. Letzterer war es, der dem neuen Haus 1965 großes Lob zollte - sowohl für die Form als auch für den Inhalt. Der Dialog zwischen Architektur und Kunst, der dienende Charakter der Räume, der sich indes nirgends auf reine Funktionalität beschränkt, harmoniert noch immer bestens, wie die rekonstruierte Eröffnungsausstellung von 1964 eindrucksvoll belegt.

Das Werk von Wilhelm Lehmbruck, der 1919 Selbstmord verübte, ist um das gläserne Atrium versammelt, in der der "Emporsteigende Jüngling" von Tageslicht erhellt wird. Die Entwicklung des Künstlers, die wahrscheinlich durch Kriegsereignisse verursacht im Expressiven mündete, wird hier nachvollzogen. Sohn Manfred, der vor allem im Südwesten Deutschlands aktiv war, hat mit dem Duisburger Museum sein Meisterstück abgeliefert und durfte später auch den Erweiterungstrakt planen, der 1987 fertiggestellt wurde. Die zu Beginn der 60er-Jahre formulierte These von der "Demokratie als Bauherr" wurde in Duisburg nachhaltig in die Realität überführt.

 Blick in die Glashalle und den Skulpturenhof. Foto: Strauch

Blick in die Glashalle und den Skulpturenhof. Foto: Strauch

Foto: Strauch

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Auf einen BlickDie Ausstellungen zum Jubiläum (im Lehmbruck-Trakt und in der Glashalle) sind bis zum 18. Januar 2015 zu sehen. Ein Katalogbuch zum Jubiläum ist im Wienand Verlag, Köln, erschienen. Infos zu Eintrittspreisen, Anfahrt und Öffnungszeiten: www.lehmbruckmuseum.de . red

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