Variation in Serie

Riehen · Die Fondation Beyeler bei Basel ist eines der schönsten Kunstmuseen der Welt. Derzeit zeigt sie das Werk des 82-jährigen Gerhard Richter – in einer Ausstellung, der es perfekt gelingt, die Arbeitsweise des Malers sichtbar zu machen.

 „Verkündigung nach Tizian“ (1973): Fünf Mal hat Richter das Motiv gemalt, von Mal zu Mal löst sich das Sujet mehr auf. Fotos: Richter

„Verkündigung nach Tizian“ (1973): Fünf Mal hat Richter das Motiv gemalt, von Mal zu Mal löst sich das Sujet mehr auf. Fotos: Richter

Einige von Gerhard Richters singulären Werken sind heute Ikonen der modernen Kunst. Doch Richters Werk zeichnet sich vor allem durch eine thematische und stilistische Vielfältigkeit aus und ist geprägt von Serien und Zyklen. Immer wieder müht sich der Maler an einem Motiv in zahlreichen Variationen ab, um ein Verhältnis von Thema und Variation zu entwickeln. Sein Werk fasziniert durch das Wechselspiel von Abstraktion und Figuration, Original und Abbild, Kontrolle und Zufall sowie durch die Verwischung von Grenzen zwischen Malerei, Fotografie und Druck.

Der Ausstellung im Schweizer Kunstmuseum Fondation Beyeler in Riehen bei Basel gelingt es perfekt, Richters Arbeitsweise sichtbar zu machen. Klug hängen Richter und Gastkurator Hans Ulrich Obrist kontrapunktisch Einzelwerke zu den Serien und erklären so das Verhältnis von Einzelbild und Werkgruppe. In lockerer Chronologie folgt der Besucher der Entwicklung des Künstlers, die mit den berühmten fotorealistischen Gemälden begann. In den 60ern wählte Richter wie zufällig Zeitungsausschnitte und Privatfotos aus, vergrößerte diese auf Leinwände und verfremdete sie durch Unschärfe. Aus dem Kontext des Artikels gelöst, verweisen die Bilder nicht mehr auf einen bestimmten Inhalt, sondern erzeugen eine eigene visuelle Botschaft ohne an Wirkung zu verlieren. Zu den wichtigsten Arbeiten der frühen Jahre zählt der Baader-Meinhof-Zyklus, der sich mit der RAF auseinandersetzt und die Serie "S. mit Kind", in der Richter mit der Ikonografie der Madonnenbilder spielt.

Ein wunderbares Beispiel für Richters Variantenreichtum ist der Zyklus "Verkündigung nach Tizian ". Richter hat fünf Versionen von Tizians "Verkündigung" gemalt und dabei Farben und Bildaufteilung übernommen. Doch die Figuren lösen sich in den wilden Farbnebeln und unterschiedlichen Abstraktionsgraden auf. Selbst in einer achtteiligen Serie grauer Bilder suchte Richter nach Variationsmöglichkeiten.

In den 80ern wandte sich der Maler verstärkt der Abstraktion zu. Die entstandenen Zyklen zählen zu den Höhepunkten der Schau. Richter trug mehrere Schichten Farbe auf die Leinwand auf und zog sie mit überdimensionierten Rakeln über den Malgrund. An den abgeschabten und aufgerissenen Stellen brachen die unteren Farbschichten durch. Es entstanden abstrakt-expressive Farblandschaften in immer neuen Varianten.

Weniger gelungen sind die beiden gläsernen Skulpturen, die in den letzten Jahren entstanden sind. Die Werke aus riesigen Glasscheiben wirken allzu bemüht in ihrer Aussage und gehen in der Bildgewalt auch unter. Das schadet der Ausstellung allerdings keineswegs und zeigt nur, wie großartig Richter als Maler ist.

Läuft bis 7. September. Täglich geöffnet: 10-18 Uhr, mittwochs 10-20 Uhr. Infos: www.fondationbeyeler.ch

 Gemälde aus dem 12-teiligen Zyklus „Wald“ von 2005.

Gemälde aus dem 12-teiligen Zyklus „Wald“ von 2005.

 Porträt der Tochter im geblümten Mantel: „Betty“ (1988).

Porträt der Tochter im geblümten Mantel: „Betty“ (1988).

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HintergrundGerhard Richter zählt nicht nur zu den bedeutendsten Künstlern Deutschlands in der Nachkriegszeit, sondern gehört auch zu den kommerziell erfolgreichsten weltweit. Richter hat von 1951 bis 1956 an der Dresdner Kunstakademie studiert. Er floh 1961 aus der DDR und studierte anschließend an der Düsseldorfer Kunstakademie. Seine Werke, die sich keiner eindeutigen Stilrichtung zuordnen lassen, werden seit den 50ern weltweit ausgestellt. red

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