Vaclav Klaus hat nicht Recht

Meinung · Der tschechische Präsident Vaclav Klaus hat gestern für viel Wirbel gesorgt. Seine Bilanz über den europäischen Alltag fällt trotz aller Anerkennung der EU als "revolutionäres Projekt" miserabel aus. Er macht nicht die europäische Idee nieder, er stellt sie aber auf unzulässige Weise der Praxis gegenüber

Der tschechische Präsident Vaclav Klaus hat gestern für viel Wirbel gesorgt. Seine Bilanz über den europäischen Alltag fällt trotz aller Anerkennung der EU als "revolutionäres Projekt" miserabel aus. Er macht nicht die europäische Idee nieder, er stellt sie aber auf unzulässige Weise der Praxis gegenüber. Denn man kann nicht über den Sinn des Binnenmarktes und der Demokratie philosophieren, ohne auch über Harmonisierung von Gesetzen zu reden. Welchen Sinn macht ein freier Wettbewerb, wenn man nicht auch die Hersteller-Vorschriften für Spielzeug angleicht? Das eine als Ideal, das andere als Bevormundung hinzustellen, ist unseriös.Dabei hat der Präsident in vielen Fragen nicht einmal Unrecht. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Brüssel den Franzosen Auflagen gegen die Verlagerung der Produktion ins Billig-Ausland untersagt, wenn sie Milliarden in die schwankende Auto-Industrie stecken. Und wenn die Kommission Deutschland nicht nur vorschreiben will, welche Strafen bei Umweltdelikten verhängt werden sollen, sondern auch diktiert, wie dies umgesetzt werden soll, hat das mit Souveränität eines Mitgliedstaates wenig zu tun. Trotzdem ist es kurzsichtig, im Lissabonner Vertrag das Tor zu einer Entmündigung der nationalen Parlamente zu sehen, weil genau dieser einen Teil der bereits zentralisierten Gesetzgebung wieder zurückverlagert. Das Problem besteht allerdings darin, dass nicht nur die Mütter und Väter des Reformvertrages, sondern auch die Kommission wichtige Weichenstellungen verschlafen haben. Warum man das Straßburger Parlament zwar zum vollwertigen Mitgesetzgeber macht, aber ihm die Möglichkeit versagt, Regelungen auch anzustoßen, ist nicht erklärbar. Die europäischen Institutionen machen es ihren Kritikern oft leicht.Die Kernfrage heißt: Wie balanciert man das Verhältnis zwischen der europäischen Zentrale und den Regierungshauptstädten richtig aus? Dass sich die EU um die Energiesicherheit oder den Klimaschutz kümmert, wird niemand ernsthaft bestreiten. Aber würde nicht ein Rahmen genügen, der dann durch nationale Maßnahmen gefüllt wird? Muss Brüssel wirklich vorgeben, wie die künftigen Ladegeräte für Handys auszusehen haben? Diese Defizite in der Praxis zu sehen, darf aber nicht dazu führen, sie gegen die Stärken dieser Union auszuspielen. Dass gerade der Prager Präsident dies tut, ist nicht zu begreifen. Es gibt kaum ein Land, das vom gemeinsamen Markt, von Industrieansiedlungen und europäischen Zuschüssen so sehr profitiert hat, wie Tschechien. Nein, Klaus hat nicht Recht. Sein eigenes Land ist der beste Gegenbeweis.

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