Untreue-Urteile werden erschwert

Karlsruhe. Für die Justiz wird es künftig schwerer, Manager wegen Untreue zu belangen. Das Bundesverfassungsgericht hob gestern die Hürden für eine Bestrafung an. Der verursachte Schaden muss nun genauer benannt werden. Mit dem veröffentlichten Beschluss hob das Gericht die Verurteilung mehrerer Ex-Manager im Berliner Bankenskandal auf

Karlsruhe. Für die Justiz wird es künftig schwerer, Manager wegen Untreue zu belangen. Das Bundesverfassungsgericht hob gestern die Hürden für eine Bestrafung an. Der verursachte Schaden muss nun genauer benannt werden. Mit dem veröffentlichten Beschluss hob das Gericht die Verurteilung mehrerer Ex-Manager im Berliner Bankenskandal auf. Es sei nicht in ausreichend gesicherter Weise festgestellt worden, dass der Bank tatsächlich ein Schaden entstanden sei, erklärten die Bundesrichter. Daher verstoße die Verurteilung gegen das im Grundgesetz festgelegte Gebot der Bestimmtheit von Strafgesetzen (Az. 2 BvR 2559/08 u.a.). Die Karlsruher Richter verwiesen die Untreue-Urteile ans Berliner Landgericht zurück. Der frühere Vorstandschef der Berlin Hyp, Klaus Landowsky, und mehrere weitere Ex-Manager waren 2007 wegen Untreue verurteilt worden. Der Ex-CDU-Politiker erhielt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Vier weitere Angeklagte wurden ebenfalls zu Bewährungsstrafen verurteilt, acht wurden freigesprochen.Das Urteil könnte auch Konsequenzen für weitere Urteile aus der Vergangenheit haben. Die Verurteilung eines ehemaligen Siemens-Managers, der "schwarze Kassen" für Bestechungsgelder angelegt hatte, erklärten die Richter hingegen für verfassungsgemäß. Untreue ist eines der zentralen Delikte in der Wirtschaftskriminalität. Nach der äußerst komplizierten Regelung können Täter bestraft werden, die fremdes Vermögen betreuen müssen, diese Pflicht schuldhaft verletzen und einen Vermögensschaden verursachen. Diese Bestimmung sei zwar grundsätzlich verfassungsgemäß - jedoch müssten die Gerichte bei der Ermittlung des Schadens die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen feststellen. Die Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts ist für alle anhängigen und künftigen Verfahren bindend. Das Bundesverfassungsgericht beanstandete in seiner Entscheidung die Anwendung des Gesetzes in Fällen sogenannter Gefährdungsschäden. So ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass bereits die Vergabe eines ungenügend gesicherten Kredits wegen des Risikos eine "schadensgleiche Vermögensgefährdung" darstellt. Der konkrete Schaden wurde jedoch nicht ermittelt. Dieses Vorgehen verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestimmtheit von Strafgesetzen. dpaMeinung

Mehr Arbeit für Gutachter

Von SZ-RedakteurMichael Jungmann Die gute Nachricht aus Karlsruhe: Der Untreuetatbestand im Strafgesetzbuch ist weiter mit dem Grundgesetz vereinbar. Wer fremdes Vermögen, das ihm anvertraut ist, verschleudert oder schädigt, kann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Die höchsten Richter der Nation haben mit ihrem Beschluss zu den Urteilen in der Berliner Bankenaffäre die Hürden für eine Be-strafung deutlich erhöht. Der Schaden, den die Ex-Manager der Immobilienbank Berlin Hyp mutmaßlich mit der lockeren, aber riskanten Kreditvergabe verursacht haben, muss nachvollziehbar dargelegt werden. Denn, wenn ein Vermögensschaden nicht wirklich definiert werden kann, bleibt es möglicherweise bei versuchter Untreue. Dies ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht strafbar. Die Konsequenz: Mathematiker und Finanzexperten werden mit Gutachten und Gegenexpertisen stärker gefordert werden. Die Karlsruher Entscheidung ist auch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für hoch dotierte Sachverständige.

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