Unterwegs ins globalisierte Jetzt

Saarbrücken. Hübsche Häuser, teure Autos, goldene Äpfel: Das Leben kann toll sein, man muss nur hinschauen. Das Piano klimpert voran, der Rest folgt euphorisch, ausgelassen ist die Stimmung, harmonisch die Musik. Doch es ist nur eine Frage der Perspektive, dass man stattdessen leere Häuser, brennende Autos oder nackte Körper, die an Bäumen baumeln, sieht

 Bobby Gillespie, Kopf von Primal Scream. Foto: Warner

Bobby Gillespie, Kopf von Primal Scream. Foto: Warner

Saarbrücken. Hübsche Häuser, teure Autos, goldene Äpfel: Das Leben kann toll sein, man muss nur hinschauen. Das Piano klimpert voran, der Rest folgt euphorisch, ausgelassen ist die Stimmung, harmonisch die Musik. Doch es ist nur eine Frage der Perspektive, dass man stattdessen leere Häuser, brennende Autos oder nackte Körper, die an Bäumen baumeln, sieht. Dann ist die "Beautiful Future", die Bobby Gillespie gleich eingangs des neuen Albums seiner Band Primal Scream besingt, nur schöner Schein, den die Warenhäuser rund um den Erdball bereithalten. Wem das reicht - viel Spaß. Gillespie aber hält weiter Ausschau nach dem echten, freien Leben.

Was Primal Scream in Zukunft noch so anstellen werden, ist völlig ungewiss, der Titelsong der mittlerweile neunten CD verweist immerhin auf eine gesicherte Gegenwart, die weit in die eigene Vergangenheit zurückgreift. Nach selbstverliebtem Pop klingt er, ein bisschen Aztec Camera und viel Pulp. Die ausgiebige Bildungsreise durch beinahe alle Stile der neueren Populärmusik führt Primal Scream damit an die Anfänge der Karriere zurück, als sie beim legendären Creation-Label unter Vertrag waren und die Gitarren hingebungsvoll bearbeiteten. Eine Stippvisite, mehr nicht. Nostalgie ist dieser in Glasgow 1984 gegründeten Band, die sich immer wieder einem neuen Klangbild verschreibt, fremd.

Auf "Beautiful Future" ist Britpop die Konstante, transformiert ins globalisierte Jetzt: Club-Beats arrangieren sich mit Streichern, Soul trifft auf House, finsteren Sounds folgt eine dezente Slide-Gitarre. In "Uptown" geben Bass und digital erzeugte Bassdrum den Rhythmus vor, bei dem sich Violine und Cello sporadisch in klagender Schwermut unterhaken. Es geht um die Zwänge des Arbeitsalltags, denen man bloß für eine vertanzte Samstagnacht entkommen kann. Bei "Suicide Bomb" hört sich Gillespie an wie der junge Richard Ashcroft auf einem Marsch seiner Band Verve durch die eigenen Landschaften aus wucherndem Gitarrenlärm. "Zombie Man" ist eine Hommage an die Happy Mondays, in der Banker, Priester, Gangster oder Präsidenten nicht gut wegkommen. Zum Duett bittet Gillespie zwei Mal: die Sängerin Lovefoxxx der brasilianischen Band CSS und im Fleetwood-Mac-Stück "Over & Over" mit Folk-Veteranin Linda Thompson.

Primal Scream ist eine Wundertüte des Pop und somit Überraschungen verpflichtet. So fungierte als Produzent unter anderen der Schwede Björn Yttling, mit dem fünf Songs in den Atlantis-Studios in Stockholm aufgenommen wurden - wo auch Abba einst arbeitete. Josh Homme von den Queens of the Stone Age steuert krachigen Gitarrensound bei. Weniger überraschend für die seit 25 Jahren musikalische Haken schlagende Band Primal Scream ist wohl, dass auch dieses Album trotz der Vielzahl an Akteuren und Stilen zu einem pulsierenden Ganzen geriet. Die Prinzip gewordene Verweigerung, morgen niemals zu klingen wie heute, lässt Band und Fans die Hoffnung: auf eine schöne Zukunft.

Primal Scream: Beautiful Future. (B-Unique/Warner).

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