Und überall ein Bildschirm . . Und überall flimmert ein Bildschirm . . .

Köln. Model-Mädchen in Stöckelschuhen auf einer Badewanne in riesiger Stöckelschuh-Optik. Dieses momentan gern gewählte Bildmotiv zu den Berichten über die diesjährige Kölner Möbelmesse soll zeigen, dass es etwas zu sehen gibt im aktuellen Design-Angebot der internationalen Möbelproduzenten

Köln. Model-Mädchen in Stöckelschuhen auf einer Badewanne in riesiger Stöckelschuh-Optik. Dieses momentan gern gewählte Bildmotiv zu den Berichten über die diesjährige Kölner Möbelmesse soll zeigen, dass es etwas zu sehen gibt im aktuellen Design-Angebot der internationalen Möbelproduzenten. Keine Frage das visuelle Blockbuster-Syndrom des Fernsehens und Internets hat auch das Möbel-Design längst erreicht, überwuchert von der Vielfalt der Einfalt: TV und Web lassen allseits prägend grüßen.

Andererseits befinden wir uns im Land, in dem Alexander Mitscherlich die Krise des "unbehausten Menschen" analysierte, wobei der demnach wohl besonders gerne nach Behausung strebende Deutsche pro Jahr mehr Geld für Möbel ausgibt als sonst wo: aktuell 362 Euro pro Nase.

Erleichtert spürt der deutsche Handel derzeit das Ende der Abwrackprämie: mehr Kölner Möbelmessen-Besucher, mehr Aussteller und sanft anschwellende Auftragsbücher signalisieren es. Wie weit sich all dies auf Produzenten- und Verbraucher-Seite als Design-Bewusstsein niederschlägt - und wer hier eine Abwrackprämie verdient hätte - , offenbart sich als weites Feld. Keine Experimente, dafür das Austauschen des Möbeldesign-Begriffs in ein Besänftigungs- und Sehnsuchtsvokabular in Zeiten der Krise. Nicht nur in diesem Kölner Möbeljahr ist die Beschäftigung mit dem Design längst einer vielleicht sogar nachvollziehbaren Zielgruppen-Strategie erlegen. Was gestern "Homing" und "Cocooning" (Einkuscheln in den schützenden Wohnkokon) hieß oder als "Extra Much" auf heftige Farbkontraste setzte, wird in diesem Jahr zu "Trickery" für das etwa auf Multifunktion getrimmte Sofa mit dem ausklappbaren Tischchen für die Programmzeitschrift oder den Bordeaux der Generation 50 plus, um die man sich bei Himola besonders sorgt. Oder ein "entgifteter" purer Stil, fußend auf dem bis zum Exzess wiederholten Bauhaus: Heuer heißt er "Detox", was eher nach umweltfreundlichem Pflanzenschutzmittel klingt. Wie wär's denn mal mit einem Design-Schutzmittel?

Bei "Möller design" hat man dies offensichtlich nicht zu erwarten. Der Ost-Westfale Cord Möller-Ewersbeck hat jetzt zumindest das auf 70er Jahre getrimmte "Bett für Gefühle" ersonnen. Statistisch ist ja das Bett die Lieblings-Liebes-Plattform der Deutschen. Wer hätte dies gedacht? Möller-Ewersbecks Gefühls-Areal kommt als heftig wattierte Hussen-Landschaft mit schräg gestellten Kanten in Milchkaffeetönen daher.

Bei Thomas Haider wird getürktes Recyling neben echtem geboten. Wer hier etwa auf eine von hyperaktiven Kleinkindern geschundene Möbeloberfläche setzt, liegt falsch: Ein raffiniert-brutaler Trocknungsprozess lässt das Holz platzen, dessen Risse wiederum mit einer weißen Paste geschlossen und anschließend lackiert werden.

Haider hat allerdings auch abgelaufene Perser-Teppiche im Angebot, die in einem aufwändigen Verfahren modern ab-strahiert werden und am Ende in den Kontraststufen blau oder grau wiedererstehen: Eine Art Gerhard Richter für's Parkett. Die gequälte, dennoch aufgepeppte Bodenware ist in drei mal drei Meter für etwa 6000 Euro zu haben.

Vorbei an Herrn Lukitsch von der belgischen "Ethnicraft", der hinsichtlich eines Tischbrockens aus recycletem javanesischem Plantagen-Teakholz und gefragt nach "der" Neuheit, unbeirrt verkündet: "Es ist ein Ausziehtisch!". Herr Brockhoff von "finite elemente" aus dem Sauerland hat, völlig ironiefrei, zumindest für die Ohren Unerhörtes, um nicht zu sagen Ungehörtes anzubieten: Aus einem dickeren Regalbrett, das die beiden kleinen Lautsprecher der Außenkante wie große Klingelknöpfe aussehen lässt, kommt für knapp 500 Euro ein Klangvolumen, das die gesamte Halle 11 erfüllen will. Das Ganze ist einsetzbar vom MP3-Player bis zum Flachbild-TV, das übrigens das Mobiliar vom Badezimmer-Spiegel bis hinein in die Vorratskammer in einem gnadenlosen Unterhaltungs-Wahn zu dominieren scheint.

Dieses Wochenende ist die IMM Cologne (auf dem Messegelände in Köln-Deutz) für das gesamte Publikum geöffnet, und zwar jeweils von 9 bis 18 Uhr.

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