„Und nächste Woche ein Botticelli“

Saarbrücken · Mit Fälschungen haben sie die Mechanismen des Kunstmarkts offengelegt – aber die Käufer auch massiv betrogen. Am Freitag sind Wolfgang und Helene Beltracchi in Saarbrücken aufgetreten.

15 Stunden täglich darf er raus. Bei einer Übernachtung außerhalb des Gefängnisses besteht er auf einer Badewanne. Und mittlerweile hat er im offenen Vollzug über 100 000 Kilometer zurückgelegt zwischen der JVA Köln-Ossendorf, wo er noch bis Herbst einsitzt, und seinem Atelier bei Bergisch-Gladbach: Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi ist zwar noch in Haft, malt aber weiter. Aktuell fälscht er sogar im öffentlich-rechtlichen Auftrag. Für eine 3sat-Doku-Reihe fertigt er Porträts im Stil anderer Meister: "Ich habe gerade einen Dix gemacht, nächste Woche mach ich einen Botticelli, danach einen Cranach." Damit widerspricht er der These, er könne nur Maler der klassischen Moderne imitieren - letzteres sei bloß simpler wegen der einfacheren Materialbeschaffung.

Am Samstag lasen er und seine Frau Helene im Gespräch mit Kulturmanager Felix Mauser in der Alten Feuerwache aus ihrem Buch "Selbstporträt" und stellten sich den regen Fragen der Zuhörer. Dabei wurde deutlich: Beltracchi taugt zum Helden einer Schurkenkomödie, in der das Publikum mit ihm sympathisiert, eingenommen von dessen Schnoddercharme und der lässigen Überheblichkeit. Aber auch von seiner Entlarvung der Mechanismen des Kunstmarkts, seiner Lust am Handwerk, - und seiner beteuerten Reue. Beltracchi: "Ich könnte heute Fälschungen abliefern, die niemand entlarven kann. Aber die 14 Monate U-Haft haben reinigende Wirkung gehabt." Fast möchte man Mitleid haben mit den beiden, angesichts der Erlebnisse, die sie im zweiten gemeinsamen Buch "Einschluss mit Engeln" veröffentlicht haben - ein intimer Briefwechsel über den Knast-Alltag, im Gefängnis entstanden als "Überlebensritual" und von dem Schriftsteller Martin Walser als "Schreibwunder" und "ungeheure Fülle von Wirklichkeit" gefeiert.

"Das soll kein Gejammer sein", sagt Beltracchi. "Wir haben betrogen und erkennen die Strafe an. Es geht um die Situation! Es war eine Gelegenheit, zu schildern, was der Staat mit Menschen anstellt." Seither könne er keinen "Tatort" mehr sehen: "Das ist alles so lächerlich. Es entspricht in keiner Weise der Realität." Die Frage, ob er nicht um sein Leben fürchte, weil sich jemand möglicherweise an ihm rächen wolle, entlockt Beltracchi ein cooles Grinsen: "Ich bin ein angstfreier Mensch."

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