"Unabhängiger vom Ausland machen"

Herr Scheer, inwieweit ist denn die Elektronikindustrie in Deutschland von der Katastrophe in Japan betroffen?Scheer: Die Unternehmen sehen schon erste Auswirkungen und wir gehen davon aus, dass sich die noch verstärken werden. In Japan werden wichtige Vorprodukte der Hightech-Industrie wie Chips oder Sensoren gefertigt

Herr Scheer, inwieweit ist denn die Elektronikindustrie in Deutschland von der Katastrophe in Japan betroffen?Scheer: Die Unternehmen sehen schon erste Auswirkungen und wir gehen davon aus, dass sich die noch verstärken werden. In Japan werden wichtige Vorprodukte der Hightech-Industrie wie Chips oder Sensoren gefertigt. Zurzeit gibt es noch einen Puffer, weil viele Waren über den Seeweg transportiert werden. Aber zeitversetzt werden sie in der Produktion fehlen.

Erwarten Sie, dass es zu langfristigen Ausfällen kommt?

Scheer: Das glaube ich nicht. In Japan wird mit Hochdruck daran gearbeitet, die Fabriken wieder hochzufahren. Insofern gehe ich davon aus, dass es nur zu einer Delle kommt.

Ist es denn realistisch, dass die Fabriken trotz der Stromknappheit wieder voll arbeiten werden?

Scheer: Japan ist erfinderisch und ein Hochtechnologieland. Es lebt von der Industrie und lebt vom Export. Ich gehe davon aus, dass die Japaner die entsprechenden Möglichkeiten finden.

Aber die Einstellung der Bevölkerung zu Atomstrom wird auch dort zunehmend kritischer.

Scheer: Natürlich wird auch in Japan eine Energiedebatte losgehen, wenn die dringendsten Auswirkungen des Unglücks beseitigt sind. Dass die aber so emotional ausfallen wird wie bei uns, das glaube ich nicht.

Gibt es Produktgruppen, die besonders von den Ausfällen betroffen sind?

Scheer: Nein, die Lieferengpässe betreffen ganz viele Bereiche. Über 90 Prozent der Chips werden ja nicht mehr nur in Computer eingebaut, sondern gehen beispielsweise in medizintechnische Geräte, Autos, aber auch Handys, Kameras und Fernseher.

Gibt es denn keine Alternativen zu Produkten aus Japan?

Scheer: In der Tat sind viele Produktionskapazitäten bereits erst nach Südkorea und danach auch nach China abgewandert. Trotzdem hilft das nur wenig: Wenn jetzt für ein Produkt ein kritisches Teil fehlt, ist das gesamte System nicht mehr funktionsfähig.

Was heißt das für die deutsche Industrie?

Scheer: In Deutschland müssen wir uns durchaus fragen, wie abhängig wir von den Hightech-Produzenten im Ausland sind. Gerade bei sicherheitsrelevanten Komponenten sollten wir uns unabhängiger vom Ausland machen. Das Auto beispielsweise ist ja mittlerweile auch ein fahrender Computer. Da sollten wir die Lieferketten für unsere weiterverarbeitende Industrie schon sehr genau im Auge behalten.

Wie sieht es denn aus, wenn jetzt radioaktiv belastete Waren aus Japan zu uns kommen?

Scheer: Da sollte man jetzt keine übertriebenen Ängste schüren. Erstens ist die radioaktive Belastung erfahrungsgemäß regional stark begrenzt, außerdem werden bei den Importen an den Häfen und Flughäfen Messungen ausgeführt. Insofern sehe ich diese Gefahr nicht.

Hintergrund

17 Prozent der Händler und Produzenten von Elektronikgeräten sehen zurzeit in Deutschland Lieferengpässe bei Geräten oder Bauteilen. 48 Prozent erwarten Einschränkungen in den kommenden Monaten.

21 Prozent beobachten bereits Preissteigerungen bei Produkten oder Bauteilen. 38 Prozent erwarten, dass die Lieferengpässe innerhalb der kommenden Monate zu höheren Preisen führen. jwo

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