Separatistenführer ist frei Fall Puigdemont zeigt die Schwächen des EU-Rechts

Ob Carles Puigdemont da­ran wirklich noch geglaubt hatte? Nachdem sich die strafrechtliche Schlinge scheinbar immer enger um den katalanischen Separatistenführer zusammenzog, ist er nun über Nacht zumindest ein halbfreier Mann geworden. Die Richter am Oberlandesgericht Schleswig haben den Fall geprüft – und in entscheidenden Punkten der spanischen Justiz widersprochen. Der Vorgang ist ein Paradebeispiel für die Stärke des deutschen Rechts, aber eben auch für die Schwäche des europäischen Rechtssystems. Denn bis auf den europäischen Haftbefehl, um dessen Willen Puigdemont in Deutschland ja überhaupt erst festgesetzt wurde, gibt es in solchen Fällen offenbar nur wenige Gemeinsamkeiten in der EU.

ÜS
Foto: SZ/Robby Lorenz

Klar war von Anfang an, dass Puigdemont nur an Spanien hätte ausgeliefert werden können, wenn dortige Strafnormen eine Entsprechung im deutschen Strafrecht finden würden. Der Verdacht auf „Rebellion“, den Madrid gegen Puigdemont als Hauptvorwurf ins Feld führte, ist zwar mit dem Tatbestand des „Hochverrats“ bei uns vergleichbar. Aber im Gegensatz zur Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein widerstand das Oberlandesgericht der Versuchung, ihn Eins zu Eins auf den Fall Puigdemont zu übertragen. Die Richter ließen den Vorwurf sogar komplett fallen, weil ihnen die Beweislage als viel zu dünn erschien. Insofern wäre jetzt die spanische Justiz am Zuge, hier nachzuliefern. Das umso mehr, als auch der noch verbliebene Vorwurf der Veruntreuung offenbar auf eher wackligen Füßen steht. Er gründet in erster Linie darauf, dass das von Puigdemont im vergangenen Herbst angezettelte und von Madrid verbotene Referendum für ein unabhängiges Katalonien weit über eine Million Euro Steuergeld gekostet hatte. Hier meldeten die deutschen Richter aber noch weiteren Klärungsbedarf an. Würde sich am Ende auch dieser Vorwurf als haltlos erweisen, wäre das spanische Auslieferungsersuchen endgültig vom Tisch und Puigdemont ein freier Mann.

Für die Bundesregierung sind das keine erquicklichen Aussichten. Sie hat immer so getan, als habe der Fall nur eine juristische Dimension und keine politische. Insgeheim hatte sie wohl gehofft, eine rasche Abschiebung könnte das kleinere Übel sein. Aber damit ist es jetzt vorbei. Denn selbst wenn Puigdemont doch noch an Spanien überstellt werden würde, droht ihm dort nur noch eine vergleichsweise milde Strafe.

Um solchen Fällen künftig den spektakulären Beigeschmack und die Brisanz zu nehmen, wäre ein europäisches Regelwerk zu Verfolgung schwerer Straftaten sinnvoll. Wenn es eine Währungsunion gibt, dann sollte es auch so etwas wie eine Union des gemeinsamen Rechts geben. Hier kann sich die Bundesregierung verdient machen. Genauso, wie sie sich nun endlich auch für eine politische Lösung des Katalonien-Konflikts mitverantwortlich fühlen muss. Damit würde Deutschland sicher auch beim EU-Partner Spanien punkten.

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