Analyse Umstrittene Reformen und der Zwist mit der EU haben dem Image der in Warschau regierenden Nationalkonservativen nicht geschadet. Polens PiS-Partei ist zur Halbzeit beliebt wie nie

WARSCHAU (dpa) Zur Hälfte ihrer Amtszeit stehen Polens Regierende auf Kriegsfuß mit der EU-Kommission. Ärger brachte ihnen auch der Protest Zehntausender Polen gegen ihre umstrittene Justizreform ein. Trotzdem ist die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Chef Jaroslaw Kaczynski beliebt wie nie. Wären jetzt Wahlen, würde sie haushoch siegen: Zwei Jahre nach Regierungsanritt hat die PiS Rekordumfragewerte von 47 Prozent, wie das Meinungsforschungsinstitut CBOS angibt.

Keine andere Regierung in Polen sei zur Halbzeit so gut bewertet worden, sagt der Politik-Experte und Professor an der Warschauer Kardinal-Stefan-Wyszynski-Universität Norbert Maliszewski. „Die PiS setzt ihre Wahlversprechen um und hört auf die Bedürfnisse der Polen“, erklärt er. Punkten würden die Nationalkonservativen mit der Sozialpolitik. Die Partei, die sich als Fürsprecher „kleiner Leute“ sieht, führte ein Kindergeld von 500 Zloty (etwa 120 Euro) ein, für kinderreiche Familien stellt es oft ein zusätzliches Einkommen dar.

Auch Senioren hat die PiS bedacht: Statt mit 67 können Frauen nun mit 60 und Männer mit 65 Jahren in Rente gehen. Ob sie das neue Recht in Anspruch nehmen, bleibt ihnen selbst überlassen. Denn die frühe Rente bedeutet auch weniger Geld. Das nehmen viele Polen in Kauf.

Neben dem Sozialprogramm begünstigt die schwächelnde Opposition den Erfolgskurs der PiS. Die gegnerischen Parteien fallen zwar durch ihre scharfe Kritik an den Nationalkonservativen auf, weniger aber durch ein eigenes Parteiprogramm. Deswegen seien sie für viele Bürger keine Alternative, sagt Maliszewski. „Die Polen wählen nicht symbolisch, sondern mit dem Portemonnaie.“ Beeindruckend an der PiS wirke auch ihre Stärke. Die Partei regiert mit absoluter Mehrheit und kann fast alle Gesetzesvorhaben umsetzen.

Eine Macht, die die Nationalkonservativen auch auf EU-Ebene demonstrieren wollten. Allerdings scheiterten sie bei dem Versuch, die Wiederwahl des polnischen EU-Ratspräsidenten und ihres politischen Gegners Donald Tusk zu verhindern. Die Niederlage gegen alle anderen EU-Partner fuhr der PiS einen saftigen Image-Schaden ein. Trotzdem gibt sie bei weiteren Konflikten mit der EU nicht nach: Ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren treibt die PiS in Richtung Eskalation. Vorwürfe der EU-Kommission, Polens Regierende hätten sich Medien und Justiz untergeordnet, stoßen in Warschau seit eineinhalb Jahren auf taube Ohren.

Größtes Konfliktpotenzial mit Brüssel hat aber die Flüchtlingspolitik. Die PiS weigert sich strikt, Migranten aufzunehmen und handelte sich bereits ein Vertragsverletzungsverfahren ein, das zu hohen Geldstrafen führen kann. Die EU-Politik der PiS werde für innenpolitische Zwecke genutzt, erklärt Politologin Agnieszka Lada vom Warschauer Institut für Öffentliche Angelegenheiten ISP. Denn Umfragen zufolge lehnen die meisten Polen die Flüchtlingsaufnahme ab.

Als größte Herausforderung der PiS zur Halbzeit sehen Experten den unerwarteten Machtkampf mit Präsident Andrzej Duda. Das Staatsoberhaupt, das aus Reihen der Nationalkonservativen stammt, stoppte im Juli zwei ihrer umstrittenen Justizgesetze. Seit Wochen suchen beide Seiten erfolglos nach einem Kompromiss zur Reform des Obersten Gerichts und Landesjustizrats. Dudas Vetos hätten erstmals Differenzen im Lager der PiS offenbart, heißt es in einer Analyse des Deutschen Polen-Instituts. Ähnlich wie Regierungschefin Beata Szydlo galt der Präsident bislang als Kaczynskis Marionette. Seine neue Eigenständigkeit kam bei den Polen gut an, wie Dudas gestiegene Umfragewerte zeigen.

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