Analyse Die Pläne des französischen Präsidenten für das nächste Europaparlament sorgen für Furore bei den europäischen Parteien. Wie stillt Macron seinen Appetit auf Europa?

Brüssel Der Mann, der Frankreich und Europa vor Marine Le Pen gerettet hat, spricht morgen im Europaparlament. Die Europa wohl gesonnenen unter den 751 Abgeordneten im Straßburger Plenum warten mit Hochspannung darauf, was die Botschaft von Emmanuel Macron sein wird. Besonders interessiert sie eine Frage: Welchen Plan verfolgt der französische Präsident im Hinblick auf die nächsten Europawahlen, die im Mai 2019 anstehen? Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er in Europa mitreden will.

Bislang hat sich Macron nicht in die Karten schauen lassen. Es gibt aber nur zwei Möglichkeiten: Entweder schließt er sich mit seiner Bewegung La République en Marche (dt.: Die Republik unterwegs) einer der bestehenden Fraktionen an. Oder er gründet eine eigene Fraktion.

Immer noch Hoffnungen, dass Macron mit seinen künftigen Europaabgeordneten zu ihm und seiner Fraktion kommt, macht sich Guy Verhofstadt, der die 68 liberalen Abgeordneten im Europaparlament anführt. Doch Macron lässt Verhofstadt zappeln. Wie viele andere Beobachter glaubt auch Jens Geier, der die deutschen SPD-Abgeordneten anführt, nicht, dass En Marche zu den Liberalen geht. Als Grund macht er das ausgeprägte Selbstbewusstsein der beiden Politiker aus: „Auf dem liberalen Misthaufen im Europaparlament ist kein Platz für zwei Hähne.“ Auch zu den Christdemokraten, die mit 219 Abgeordneten die größte Fraktion stellen, und zu den Sozialisten mit derzeit 188 Sitzen wird er wohl nicht gehen. Ein hochrangiger deutscher Abgeordneter analysiert, dass Macron dafür auch innenpolitische Gründe hat: „Damit würde er die Chancen seiner Bewegung bei der Europawahl kaputt machen. Er würde sich ja in Europa wieder mit der alten politischen Klasse gemein machen, die er in Frankreich gerade pulverisiert hat.“

Alle rechnen damit, dass Macron eine eigene Fraktion aufmachen will. Dafür müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Es müssen mindestens 25 Abgeordnete zusammen kommen, die in mindestens sieben von 28 Mitgliedstaaten der EU einen Sitz im Parlament erobert haben. Die Mindestzahl der Abgeordneten zusammen zu bekommen, das dürfte En Marche nicht schwer fallen. Frankreich entsendet 74 Abgeordnete ins Europaparlament. Macron könnte allein in Frankreich mit seiner Bewegung auf die benötigte Mindestzahl kommen.

Längst läuft die Operation, die zweite Bedingung zu erfüllen. Macrons Leute buhlen um die Gunst von einflussreichen Abgeordneten. Sehr zum Ärger der etablierten europäischen Parteienfamilien kommt es regelrecht zu Abwerbungsversuchen.

Da Macron mit seinem Vorstoß für transnationale Listen bei der Europawahl gescheitert ist, können sich Christdemokraten, Genossen, Grüne und Liberale in Deutschland aber recht sicher sein, dass Macron ihnen bei der Wahl im Mai 2019 direkt keine Stimmen wegnimmt. Aber ihre Fraktionen im nächsten Europaparlament werden Federn lassen. Es wird damit gerechnet, dass mancher Italiener des Partito Democratico, der jetzt bei den Sozialisten sitzt, zu Macrons Truppe gehen könnte. Auch bei den Christdemokraten wird mit Verlusten gerechnet. Macrons Leute umwerben zudem junge, teils populistische Parteien, die im nächsten EU-Parlament umso stärker vertreten sein könnten: die Ciudadanos-Bewegung aus Spanien etwa. Im Gespräch ist En Marche auch mit der rumänischen USR. Am Ende rechnen Beobachter damit, dass Macrons Bewegung im nächsten EU-Parlament eine Gruppe, wie im EU-Jargon die Fraktionen genannt werden, von rund 70 Abgeordneten bilden kann. Damit würde Macron wohl nach den Christdemokraten und Sozialisten aus dem Stand die drittgrößte Fraktion bilden.

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