Analyse Die USA stehen vor den Zwischenwahlen. Dass der Präsident dort scheitert, ist unwahrscheinlich – aber möglich. Die Folgen wären dramatisch. Trumps Zukunft steht jetzt auf dem Spiel

Washington · Wie besessen tourt Donald Trump seit Wochen quer durch die USA, fast jeden Abend hält er eine Rede, irgendwo im Land. Der Präsident will die Kongresswahlen am 6. November unbedingt für die Partei gewinnen, auf deren Ticket er angetreten ist.

Die Republikaner und Trump bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Problematisch ist: Die „Midterms“ sind oft eine Abrechnung mit der Politik des Präsidenten zwei Jahre nach dessen Wahl. Was kann Trump passieren?

Der Verlust des Senats: Die Republikaner haben derzeit eine hauchdünne Mehrheit von einem Sitz im Oberhaus, das zum Beispiel für die wichtige Bestätigung von Richternominierungen zuständig ist, das aber auch im Falle eines Amtsenthebungsverfahrens letzte Instanz wäre. Bei den Zwischenwahlen wird nur gut ein Drittel der 100 Sitze neu gewählt. Die zur Dispositionen stehenden Senatoren sind überwiegend Demokraten – das heißt sie müssen ihre Posten verteidigen, die Republikaner können hinzugewinnen. Wahlforscher in den USA sagen, die Demokraten treten mit den ungünstigsten Voraussetzungen an, mit denen je eine Partei in die Senatswahlen ging. Sollte ihnen dennoch ein Coup gelingen, wäre das eine kaum wieder gutzumachende Schmach für den Präsidenten und ein totaler Machtverlust im Parlament. Trump könnte nur noch über Erlasse regieren, die keine Gesetzeskraft erlangen – oder er müsste heftige Kompromisse schlucken.

Der Verlust des Abgeordnetenhauses: Dies ist ein wahrscheinliches, wenngleich auch ein längst nicht sicheres Szenario. Die Demoskopen sehen die Demokraten derzeit vorne. Jedoch sind viele einzelne Wahlkreise stark umkämpft. Im Falle des Verlustes des Abgeordnetenhauses müsste sich Trump auf fundamentale Oppositionsarbeit der Demokraten einstellen. Die Milliarden für seinen Mauerbau an der Grenze zu Mexiko könnte er wohl zunächst abschreiben. Ebenso müsste er sich auf Regierungsstillstände einstellen, weil eine demokratische Mehrheit seine Haushaltsgesetze torpedieren dürfte.

Die Lähmung der Regierungsarbeit: Je nach Konstellation könnten die Demokraten Trumps Regierungsarbeit massiv blockieren. Es wird erwartet, dass demokratische Ausschussvorsitzende im Abgeordnetenhaus ihn mit einer Lawine von Anfragen überziehen werden. Es könnte etwa passieren, dass Untersuchungen eingesetzt werden und die Regierung sich öffentlichen Anhörungen stellen muss.

Das Amtsenthebungsverfahren: Mit einer Mehrheit im Abgeordnetenhaus können die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump anstrengen. Es gibt Juristen, die die Voraussetzungen dafür schon jetzt als gegeben ansehen – und der Abschlussbericht des Sonderermittlers in der Russlandaffäre, Robert Mueller, ist noch nicht mal geschrieben. Ein Impeachment – unabhängig von den Erfolgsaussichten – wäre das schärfste Schwert, mit dem die Demokraten Trump beschäftigen und von der Verfolgung seiner eigentlichen Ziele abhalten könnten. Es birgt aber auch Risiken für die Opposition. Das Trump-Lager könnte durch ein als ungerechtfertigt empfundenes Impeachment-Verfahren enger zusammenrücken. Ohnehin hat sich der Präsident schon zahlreicher Kritiker entledigt und die Republikaner zur Trump-Partei geformt.

Das Abfallen der Konjunktur: Der von Trump auf Pump finanzierte Super-Boom der US-Konjunktur ist fragil. Der Internationale Währungsfonds sieht bereits ein Ende der steilen Wachstumskurven voraus. Wenn Trump es nicht schafft, die gute Wirtschaftssituation mit quasi Vollbeschäftigung und steigenden Löhnen bis zum Präsidentschaftswahljahr 2020 auszudehnen, könnte er seinen wichtigsten Trumpf im Poker um die Wiederwahl zu früh gespielt haben. Ohne Mehrheit im Abgeordnetenhaus wird eine Wirtschaftspolitik mit hoher Staatsverschuldung und Steuergeschenken für Unternehmen kaum noch realistisch sein.

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