Gipfeltreffen in Brüssel Trump oder die Frage: Naht der Tod der Nato?

BRÜSSEL (dpa) Wird die Nato Ende dieser Woche noch das Bündnis sein, das es knapp 70 Jahre lang war?

Wohl noch nie zuvor hat es vor einem Gipfeltreffen der mächtigsten Militärallianz der Welt so viel Unsicherheit und Sorgen gegeben. Die Staats- und Regierungschefs aus Europa und Kanada müssen fürchten, dass US-Präsident Donald Trump dem Bündnis im eskalierten Streit über Verteidigungsausgaben nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügt.

Schon die Drohung, eine Fortsetzung des bisherigen amerikanischen Engagements an wesentlich höhere Militärausgaben von Ländern wie Deutschland zu koppeln, könnte genügen, um das heute beginnende Treffen in einem Debakel enden zu lassen. Bereits 2017 hatte Trump für einen Eklat gesorgt, weil er ein Grußwort nutzte, um aggressiv Kritik an den seines Erachtens zu niedrigen Verteidigungsausgaben von Deutschland und Co. zu üben. Nun wird bei der Nato befürchtet, dass Trump es diesmal nicht bei einer lautstarken Beschwerde belassen könnte. Keine 48 Stunden vor seinem Abflug schrieb Trump noch einmal auf Twitter, dass die Lastenteilung weder fair noch akzeptabel sei.

Was die Konsequenzen sein könnten, dokumentierte jüngst die „Washington Post“. Sie berichtete, dass im US-Verteidigungsministerium die Auswirkungen eines Rückzugs der rund 30 000 in Deutschland stationierten Soldaten geprüft werde. Dass das Pentagon öffentlich widersprach, spielt letztlich keine Rolle. Weil Trump so unberechenbar ist, weil er sich so offen feindselig gegenüber Verbündeten verhält, werden mittlerweile selbst die düstersten Szenarien nicht mehr ausgeschlossen. „Es ist keine radikale Spekulation mehr, das uneingeschränkte Bekenntnis der USA zur Nato infrage zu stellen – eine Position, die vor nicht allzu langer Zeit undenkbar gewesen wäre“, meint etwa die Denkfabrik Soufan Center. Selbst in europäischen Verteidigungsministerien wird diese Meinung hinter vorgehaltener Hand geteilt.

Wer ein Rest an Hoffnung hatte, dass Trump zumindest an traditionellen Partnerschaften festhalten wird, wurde spätestens im Juni beim G7-Gipfel in Kanada eines Besseren belehrt. Dort zog der Amerikaner seine Unterstützung für die mühsam ausgehandelte Abschlusserklärung im Nachhinein per wütender Twitter-Nachricht zurück. Dass er damit einen historischen Eklat verursachte und die Partner vor den Kopf stieß, störte ihn wenig. Es war der bisher letzte Höhepunkt der Alleingänge Trumps, die vom einseitigen Rückzug aus dem internationalen Klimaschutzabkommen sowie der einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran bis hin zu Schutzzöllen auf Importe von Bündnispartnern reichen.

Macht Trump es beim Nato-Gipfel genauso? Der Rahmen wirkt ähnlich: Auch Brüssel scheint Trump vor allem als Arena der Konfrontation zu sehen; wieder hat er im Anschluss einen wichtigen bilateralen Termin. Nach dem G7-Gipfel traf er Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, nach dem Nato-Gipfel will er mit Wladimir Putin zusammenkommen. Während er die Bündnispartner vor dem Treffen eifrig beschimpft, verliert er über Putin kein kritisches Wort. Im Gegenteil: Von seinen anstehenden Treffen könnte jenes mit dem Russen „das leichteste sein“, unkte er gestern.

Völlig offen bleibt unterdessen, worum es Trump in der Diskussion über die Verteidigungsausgaben wirklich geht. Angesichts der Tatsache, dass allein Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen mehr als doppelt so viel Geld für Verteidigung ausgeben wie Russland, ist nur schwer vermittelbar, warum es nicht ausreichen sollte, die Effizienz des Mitteleinsatzes zu erhöhen. Denkbar ist, dass Trump neben seinem Image als erbarmungsloser Macher auch die US-Rüstungsindustrie mit im Blick hat. Sie könnte besonders stark von den geforderten Erhöhungen des Militärbudgets in Europa profitieren.

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