Todesstoß für Pipeline-Projekt Nabucco

Baku · Aserbaidschan legt im Gas-Poker die Karten auf den Tisch. Statt des von der EU bevorzugten Nabucco-Projekts setzt das Land auf die Trans-Adria-Pipeline. Russland begrüßt die Entscheidung.

In Giuseppe Verdis Oper Nabucco stürzt der Titelheld vom Thron in den Wahnsinn um letztlich wieder in Glorie zur Herrschaft zurückzukehren. Bei der Pipeline Nabucco ist eine solche Entwicklung kaum noch zu erwarten. Beobachter gehen vielmehr davon aus, dass die Republik Aserbaidschan der Namensschwester des Königs Nabucco gerade den Todesstoß versetzt hat.

Aserbaidschan, wegen seiner reichen Öl- und Gasvorräte vom Westen stark umworben, hat entschieden, sein Gas nicht über das Nabucco-Projekt, sondern ab 2019 über die Trans-Adria-Pipeline (TAP) in den Westen zu transportieren. Damit hat Nabucco, von der Europäischen Union seit Jahren als Konkurrenz zu russischen Pipelines befeuert, kaum noch Zukunftschancen.

"Heute wurden wir Zeugen, wie das Nabucco-Projekt, von dem zehn Jahre lang die Rede war, zu Grabe getragen wurde. Es ist gut, dass es das Vorhaben nicht mehr gibt", frohlockte denn auch der Chef des russischen Gasmonopolisten Gazprom, Alexej Miller. Bei der Jahreshauptversammlung betonte er, dass der Konzern keine Angst vor Konkurrenz habe. Russland plant mit South-Stream ein eigenes Pipeline-Projekt, das Gas über das Schwarze Meer in den Westen leiten soll. Das TAP-Projekt werde den Bau nicht verhindern, betonte Miller. Die geplanten 63 Milliarden Kubikmeter Gas für die Leitung werde Russland künftig auch ohne Aserbaidschan ohne Probleme aufbringen. Die Russen zeigten sich vor allem deshalb erleichtert, weil TAP im Gegensatz zu Nabucco nicht als geopolitisches Projekt gilt. Die EU hatte stets deutlich gemacht, Nabucco solle eine größere Unabhängigkeit von Russland gewährleisten.

Die TAP-Pipeline führt von Griechenland nach Italien und schließt sich an die Trans-Anatolien-Pipeline (TANAP) an. Sie soll in einem ersten Schritt zehn Milliarden Kubikmeter Gas transportieren. Nabucco hätte das Dreifache leisten müssen, um rentabel zu sein. Von Anfang an war unklar, woher die 31 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich hätten kommen sollen. Für die von der EU ebenfalls angepeilten Gas-Vorräte in der Diktatur Turkmenistan hätte zudem eine Leitung durch das Kaspische Meer gelegt werden müssen. Die Atommacht Russland als Anrainer warnt vor einem solchen Schritt.

Die EU versuchte ihre Niederlage dennoch in eine Erfolgsgeschichte umzumünzen. Auch über TAP werde das wichtige Ziel erreicht, Russland zu umgehen und damit unabhängiger von Gazprom zu werden. Das islamisch geprägte Aserbaidschan bemüht sich seit Jahren um einen Ausgleich zwischen Ost und West. Konflikten mit mächtigen Nachbarn, darunter auch Russland, geht es aus dem Weg. Auch wegen der politischen Tragweite von Nabucco dürfte sich Aserbaidschan zunächst für den kleinen Schritt nach Westen entschieden haben.

Insgesamt aber sieht die aserbaidschanische Führung die Türen zum Westen durch den Energieverkauf geöffnet. Der staatliche Energiekonzern Socar meint, die TAP-Leitung könnte nur der Anfang sein. Mit der Erschließung weiterer Felder könne der Export beträchtlich steigen. Dann könnte auch eine Klein-Variante von Nabucco wieder möglich werden. Dann wäre es doch wieder ein bisschen wie bei Verdi.

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