Dresden Tillich gibt nach Wahlschlappe auf

Dresden · Überraschender Generationenwechsel bei der Sachsen-CDU: Zwei Jahre vor der Landtagswahl wirft der sächsische Ministerpräsident das Handtuch.

 Seine Entscheidung hat die Parteifreunde geschockt: Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat gestern in der Sächsischen Staatskanzlei vor Journalisten seinen Rücktritt erklärt. 

Seine Entscheidung hat die Parteifreunde geschockt: Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat gestern in der Sächsischen Staatskanzlei vor Journalisten seinen Rücktritt erklärt. 

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

(dpa) Eine Regierungsumbildung war nach der Schlappe der CDU bei der Bundestagswahl in Sachsen erwartet worden. Doch was Ministerpräsident Stanislaw Tillich gestern, dreieinhalb Wochen nach dem Desaster, in der Wappengalerie der Staatskanzlei in Dresden verkündet, ist ein unerwartet schwerer Paukenschlag: Sein Rücktritt als Regierungs- und CDU-Landeschef trifft den Freistaat völlig unvorbereitet.

Gefasst zählt der dienstälteste Ministerpräsident zunächst die Erfolge auf, die Sachsen in 27 Jahren CDU-Regierung aufzuweisen habe. „Aus einer Wirtschaft mit Massenarbeitslosigkeit wurde eine der innovativsten Regionen Deutschlands.“ Er erinnert an den Bund-Länder-Finanzausgleich, an die Jahrhundertflut und andere Naturkatastrophen: „Wir sehen fürsorgliche Familien und erleben Engagement und Solidarität.“

Letztere mochte das bis dato treue sächsische Wahlvolk bei der Bundestagswahl mit seiner CDU aber nicht mehr aufbringen. Massenweise liefen Wähler zur AfD über und sorgten dafür, dass die Rechtspopulisten in Sachsen ihr bundesweit bestes Ergebnis erzielten und stärkste Kraft wurden – vor Tillichs CDU. 4 der 16 Direktmandate, bis dato alle in CDU-Hand, gingen verloren. Das Unmögliche passierte, die Partei ist geschockt – anderthalb Jahre vor der Landtagswahl. Vielleicht etwas zu schnell fordert Tillich danach einem schärferen Ton in der Asyl- und Einwanderungspolitik – dabei stehen weite Teile der Sachsen-Union gerade in diesen Fragen eigentlich bereits der CSU in Bayern näher als dem Kurs der Parteivorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel.

Amtsvorvorgänger Kurt Biedenkopf bezweifelt per Zeitungsinterview dessen Befähigung zum Amt. Schließlich sind es die zehn sächsischen Landräte – allesamt „CDU-Fürsten“ –, die den Druck erhöhen und von Tillich Konsequenzen fordern. Und die hat er nun gezogen: „Ich bin davon überzeugt: Für eine gute Zukunft Sachsens sind auch neue Antworten wichtig. (...) Deshalb habe ich mich entschlossen, die Verantwortung in jüngere Hände zu übergeben.“

Die sächsische CDU-Spitze wirkt vom Abgang ihres Parteichefs und Ministerpräsidenten völlig überrascht. „Wir waren natürlich alle erstmal geschockt und sprachlos“, sagt CDU-Fraktionschef Frank Kupfer. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte: „Es hätte auch einen Weg gegeben mit einer großen Kabinettsumbildung unter seiner Führung, einen neuen Anfang zu machen.“ Doch Tillich habe sich anders entschieden und das verdiene „allergrößten“ Respekt. 

Richten soll es nach dem Willen Tillichs nun Michael Kretschmer. Der 42-Jährige ist seit zwölf Jahren CDU-Generalsekretär in Sachsen. Er wird schon lange als Kronprinz gehandelt und ist derzeit ohne Mandat, nachdem er bei der Bundestagswahl im Kreis Görlitz seinem AfD-Herausforderer unterlag.Tillich wird den Sachsen als sympathischer Landesvater in Erinnerung bleiben – als Mann, der auf der Straße schnell mit Bürgern in Kontakt kam. Politisch hat er außerhalb Sachsens kaum Akzente gesetzt. Die Bundespolitik war nie sein Feld.

Die neun Jahre als Ministerpräsident seien die besten „meines politischen Lebens“ gewesen, sagt Tillich im Wappensaal vor den Fotos seiner Amtsvorgänger. Sein Landtagsmandat werde er behalten. Auch im CDU-Team bei den Berliner Jamaika-Sondierungen wolle er bleiben. Die Frage eines Reporters, ob es sich denn nicht in Sachsen zu kämpfen lohne, lässt er im Rausgehen unbeantwortet.

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